Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnerzielungsabsicht eines Spitzenrestaurants trotz jahrelanger Verluste nach der Eröffnung. gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte 1984 bis 1988
Leitsatz (amtlich)
Ein französisches Spezialitätenlokal kann nach dem Beweis des ersten Anscheins auch dann mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben worden sein, wenn es in den 10 Jahren von der Eröffnung bis zur Betriebseinstellung nur Verluste erwirtschaftet hat. Es spricht gegen die vom FA behauptete Liebhaberei des Restaurantinhabers, wenn auf die Anfangsverluste mit betriebswirtschaftlichen Maßnahmen (Senkung des Personalbestands, Reduzierung des Wareneinsatzes) reagiert und die Ertragsituation so verbessert worden ist. Der dem FA obliegende Gegenbeweis gegen des Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht ist durch den Hinweis auf vermeintlich zu kurze Öffnungszeiten des Lokals, unzureichende und falsche Werbemaßnahmen sowie den Ausgleich der Verluste mit anderen positiven Einkünften des Restaurantinhabers nicht erbracht.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 2
Tenor
Die Bescheide über die Aufhebung der Feststellungsbescheide für 1984 bis 1988 vom … 1990 bzw. … 1991 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 1991 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Die P.-GmbH betrieb in den Jahren 1980 bis 1990 das französische Spezialitätenrestaurant „B.” in Berlin. An der P.-GmbH … – einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung – ist der Beigeladene als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt. Geschäftsführer und Vertreter der stillen Gesellschaft – der Klägerin – ist die P.-GmbH …; Geschäftsführer dieser GmbH wiederum ist der Beigeladene.
Der Gewinn der stillen Gesellschaft wird im Verhältnis der Kapitalanteile verteilt; einen Verlust trägt der stille Gesellschafter, der Beigeladene, bis zur Höhe seiner Einlage allein. Bis Ende 1988 hat er rund … DM in die Gesellschaft eingelegt, in seiner Sonderbilanz weitere ca. … DM.
Das Restaurant „B.” gehörte zu den anerkannt besten französischen Restaurants in Deutschland. Es bot Platz für 45 Gäste und beschäftigte zunächst acht, später vier Angestellte. Als Restaurantchefin arbeitete auch die damalige Ehefrau des Beigeladenen mit. Um den gehobenen Ansprüchen des avisierten Gästekreises gerecht zu werden, wurden die angebotenen Speisen nur aus stets frischen Zutaten zubereitet.
Die Klägerin erwirtschaftete seit Eröffnung des Betriebs Verluste, die für die Streitjahre vom Beklagten zunächst in unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden erklärungsgemäß festgestellt wurden. Die Verluste verringerten sich von rund … DM im Eröffnungsjahr 1980 kontinuierlich auf rund … DM im Jahre 1988. Die Umsatzerlöse fielen zunächst von rund … DM im Eröffnungsjahr auf rund … DM in 1984 und stiegen bis 1988 wieder auf rund … DM an. Der Wareneinsatz reduzierte sich in dieser Zeit von rund …, DM auf rund … DM. Die Personalkosten verminderten sich zunächst ebenfalls von rund …, DM auf rund … DM in 1986, stiegen bis 1988 jedoch wieder auf rund … DM an. Hinsichtlich der Entwicklung im einzelnen wird auf die als Anlage 1 beigefügte Grafik verwiesen.
Nach einer Außenprüfung hob der Beklagte die Bescheide jedoch ersatzlos auf, weil er die Überzeugung gewonnen hatte, die Klägerin werde nicht mit Gewinnerzielungsabsicht tätig, sondern zur Befriedigung der privaten Bedürfnisse des Beigeladenen.
Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.
Die Klägerin ist der Ansicht, beim Betreiben eines Restaurants spreche der Beweis des ersten Anscheins für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht. Eine derartige wirtschaftliche Betätigung sei – wie die Vermietung von Räumen an fremde Dritte – nach der Lebenserfahrung typischerweise nicht dazu bestimmt oder geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen. Dieser für sie (die Klägerin) sprechende Beweis des ersten Anscheins sei durch den Beklagten nicht entkräftet worden.
Dafür genüge der Umstand, daß sie (die Klägerin) nur Verluste erwirtschaftet habe, nicht. Auch bei längeren Verlustperioden müsse als weiteres Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, daß die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich der Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen fortgeführt werde. Für ein Restaurant der Spitzenklasse seien jedoch längere Anlaufverluste geradezu typisch. Ihr (der Klägerin) sei es gelungen, diese Verluste drastisch zu senken. Auch habe sie ihr betriebswirtschaftliches Konzept geändert und den Wareneinsatz dadurch stark reduzieren können, daß durch ei...