Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 7 Satz 2 GewStG i.d.F. des StBAÄG. Anwendung von § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG und § 8b Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags im Erhebungszeitraum 2002
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anwendung des § 7 Satz 2 GewStG i.d.F. des StBAÄG vom 23.7.2002 (BGBl. 2002 I S. 2715), wonach nunmehr Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen bei der Bemessung des Gewerbeertrages zu berücksichtigen sind, soweit sie nicht auf unmittelbar beteiligte natürliche Personen entfallen, stehen verfassungsrechtliche Bedenken auch insofern nicht entgegen, wie Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen, die zwar in 2002 entstehen, aber auf obligatorischen Verträgen beruhen, die vor dem am 20.12.2001 erfolgten Gesetzesbeschluss zum UntStFG geschlossen wurden, erfasst werden. Es liegen insbesondere weder ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot unzulässiger Rückwirkung von Gesetzen noch ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vor.
2. Bereits im Erhebungszeitraum 2002 sind die Vorschriften des § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG und des § 8b Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 KStG bei der Ermittlung des nach § 7 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 GewStG gewerbesteuerrechtlich relevanten Gewinnes anzuwenden, so dass der Teil des Veräußerungsgewinns, der auf der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften beruht, bei natürlichen Personen zur Hälfte und bei Körperschaften in vollem Umfang außer Ansatz bleibt.
Normenkette
GewStG § 7 S. 2; StBAÄG § 36 Abs. 1; UntStFG Art. 4 Nr. 2; GewStG § 7 S. 4 i.d.F. des EURLUmsG; EStG § 3 Nr. 40b; KStG § 8b Abs. 6, 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; StBAÄG Art. 5 Nr. 1
Tenor
Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2002 vom 17. November 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2005 wird dahingehend geändert, dass der in die Ermittlung des Gewerbeertrages einbezogene Veräußerungsgewinn von bisher EUR … um EUR … vermindert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 71 v.H. und der Beklagte 29 v.H..
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 v. H. des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass der Beklagte bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für den Erhebungszeitraum 2002 die von ihren Kommanditisten bei der Veräußerung ihrer Kommanditanteile erzielten Veräußerungsgewinne bei der Ermittlung des Gewerbeertrages einbezogen hat, soweit dieser Gewinn nicht auf unmittelbar beteiligte natürliche Personen als Veräußerer entfiel.
Die Klägerin hält § 7 Satz 2 GewStG in der Fassung von Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. Juli 2002 (StBAÄG, BGBl. I, 2715) für verfassungswidrig. Sie ist der Auffassung, dass jedenfalls bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 KStG zu berücksichtigen seien, soweit der Veräußerungsgewinn auf entsprechende Anteile an Kapitalgesellschaften entfällt.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, deren Komplementärin eine OHG ist, deren Gesellschafter wiederum zwei GmbHs sind. Kommanditisten der Klägerin waren neben der D-GmbH eine Stiftung, vier Kommanditgesellschaften, eine GmbH und natürliche Personen. Die Klägerin hält Beteiligungen an zahlreichen Kapitalgesellschaften.
Die Klägerin hatte ursprünglich ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Am 17. Juli 2001 stimmte der Beklagte einem Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Juli 2001 bis 31. Januar 2002 zu. Im Anschluss wurde ein weiteres Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2002 gebildet.
I. Dem Verfahren liegt folgender Veräußerungsvorgang zu Grunde:
Mit Ausnahme der D-GmbH veräußerten sämtliche Kommanditisten der Klägerin ihre Kommanditanteile, die etwa 80% des Kapitals der Klägerin entsprachen, an die A-GmbH, später B-GmbH.
Im Juli 2001 schlossen alle Kommanditisten der Klägerin mit Ausnahme der D-GmbH eine Gesellschaftervereinbarung zur Vorbereitung auf einen angestrebten Verkauf der Kommanditanteile. Sie beauftragten einen Lenkungsausschuss zum Abschluss eines Anteilsverkaufvertrages im Namen der Gesellschafter unter Vorbehalt eines nachträglichen Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung.
Am 5. August 2001 wurde zwischen dem Lenkungsausschuss der veräußernden Kommanditisten, der Klägerin, der A-GmbH und der C-S.A./N.V., ein Sale Agreement geschlossen. Dieses sieht die dingliche Abtretung der Kommanditanteile frühestens für den 1. Februar 2002 vor. Es steht unter dem Vorbehalt einer...