rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstanzeige ist kein Antrag i.S. von § 171 Abs. 3 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Als Anträge i.S. des § 171 Abs. 3 AO kommen Anträge gem. §§ 172 Abs. 1 Nr. 2, 173 Abs. 1 Nr. 2, 174 Abs. 3, 164 Abs. 2 und 129 AO in Betracht.
2. Eine Selbstanzeige nach § 371 AO richtet sich nicht auf eine Steuerfestsetzung bzw. die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung. Sie soll kein über das durch die Amtsmaxime ohnehin gebotene Verwaltungshandeln hinausgehendes Handeln auslösen und stellt daher keinen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO dar.
3. Die Straffreiheit nach § 371 AO ist nicht davon abhängig, dass die Finanzbehörde eine entsprechende Steuerfestsetzung durchführt.
4. Im Falle der Anzeige nach § 371 AO ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, im Falle der Abgabe einer entsprechenden Erklärung den Ablauf der Festsetzungsfrist so lange zu verlängern, bis über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 3, 9, § 371
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid vom 01.11.2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 24.04.2006 werden aufgehoben.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob für den Einkommensteuerbescheid 1990 Festsetzungsverjährung eingetreten ist und ob dieser Bescheid dementsprechend nicht mehr geändert werden konnte.
Entsprechend der am 11.12.1991 eingereichten Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 1990 setzte der Beklagte mit Bescheid vom 08.03.1994 die Einkommensteuer zunächst auf … DM fest. Die Festsetzung wurde mit Bescheid vom 31.07.2000 gemäß § 165 Abs. 2 S. 1 AO um … DM reduziert.
Mit Schreiben vom 28.09.2001 (Eingang beim Beklagten 01.10.2001) meldete der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen nach. Das Schreiben enthielt in der Betreffzeile ausdrücklich den Titel „Nachmeldung von Einkünften”. Beigefügt war eine umfangreiche, mehrseitige Darstellung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, geordnet nach Banken und Jahren. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
„Unser Mandant hat bei Durchsicht seiner Unterlagen festgestellt, dass versehentlich nicht alle Einkünfte aus Kapitalvermögen in den vergangenen Jahren ordnungsgemäß erklärt wurden. Wir melden daher die im Folgenden aufgeführten Einkünfte für die Jahre 1990 bis 1999 nach. Da es sich hierbei um Einkünfte aus verschiedenen Konten / Depots handelt, listen wir zur besseren Übersichtlichkeit die Einkünfte zunächst nach Konten / Depots auf und fassen anschließend die von uns ermittelten Einkünfte für die ausländischen Konten für das jeweilige Kalenderjahr zusammen. Die Erträge auf dem deutschen Konto bei der BfG-Bank in Bremen (Nr. …) sind wegen der Berücksichtigung des Freibetrags und der einbehaltenen und anzurechnenden Steuern nicht in der Zusammenfassung enthalten.
Soweit die Banken nachträgliche Erträgnisaufstellungen für die einzelnen Jahre erstellt haben, fügen wir diese in der Anlage bei. Die übrigen Erträge haben wir anhand der uns von unserem Mandanten übergebenen Kontounterlagen ermittelt. Diese halten wir hier für Sie bereit und stellen sie Ihnen nach Aufforderung selbstverständlich zur Verfügung.
…”
Darüber hinaus ergaben sich aus dem Schreiben die jeweiligen Einnahmen und Werbungskosten der einzelnen Kalenderjahre sowie die sich daraus ergebenen Einkünfte. Zusätzlich enthielt es eine Zusammenfassung der Erträge auf den ausländischen Konten nach Jahren. Bei den von den Klägern im Inland erzielten Einkünften waren daneben die aufgrund erteilter Freistellungsaufträge nicht versteuerten Einnahmen, die einbehaltene Kapitalertragsteuer bzw. der Zinsabschlag, die anzurechnende Körperschaftsteuer sowie der Solidaritätszuschlag und die einbehaltene Quellensteuer dargestellt.
Dem Schreiben beigefügt waren Erträgnisaufstellungen der SEB Private Bank Luxemburg für die Kalenderjahre 1993 – 1999 und der SEB AG Filiale Bremen für die Kalenderjahre 1990 – 1999. Darin wird darauf hingewiesen, dass diese Erträgnisaufstellungen nicht die für die Anrechnung von Körperschaftsteuer und/oder Kapitalertragsteuer notwendigen Steuerbescheinigungen ersetzen.
Das am 01.10.01 eingegangene Schreiben des steuerlichen Beraters des Klägers leitete der Beklagte mit Schreiben vom 05.02.2002 im Original nebst Belegen an die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Bremen-Ost weiter. Diese übermittelte unter Bezugnahme auf eine Niederschrift der OFD Bremen vom 07.03.96 den Vorgang in Kopie an die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Bremen-Ost und bat um Prüfung, ob Erkenntnisse vorliegen, die weitere Ermittlungen über den bekannten Sachverhalt hinaus erforderlich erscheinen lassen. Anderenfalls sei ...