rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Kindergeld. Monatsprinzip. keine Berücksichtigung von Kindern ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, im EU-Ausland oder im EWR-Raum. Auslandsaufenthalt minderjähriger Kinder zu Ausbildungszwecken. Wegfall der Bereicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Streitgegenstand einer Kindergeldklage sind einzelne Monate.
2. Die Nichtberücksichtigung eines Kindes, das weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedsstaat der EU oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, hat, verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
3. Der Kindergeldberechtigte trägt die Feststellungslast dafür, dass seine Kinder im Streitzeitraum einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet, hatten.
4. Bei Kindern, die zum Zwecke der Schulausbildung im Ausland untergebracht sind, reicht es für einen Inlandswohnsitz nicht aus, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Aufnahme im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils grundsätzlich für die Dauer der Ausbildung fortbesteht, gibt es nicht.
5. Die Beantwortung der Frage, ob ein Kind, das sich zeitweise außerhalb des elterlichen Haushalts im Ausland zu Ausbildungszwecken aufhält, seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält oder aber zunächst aufgibt und bei einer späteren Rückkehr wieder neu begründet, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet und erfordert die Berücksichtigung der objektiven Umstände des jeweiligen Falles.
6. Aufenthalte während der Schulferien von weniger als vier Monaten pro Jahr bewirken bei einem vorgesehenen Auslandsaufenthalt von mehreren Jahren kein zwischenzeitliches Wohnen in der väterlichen Wohnung.
7. Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB findet im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs keine Anwendung.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 70 Abs. 2; AO § 37 Abs. 2, §§ 8-9; GG Art. 6 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass an ihn gezahltes Kindergeld für sein drittes Kind R., geboren am … 2001, und sein viertes Kind M., geboren am … 2006, für den Zeitraum von August 2012 bis einschließlich April 2014 zurückgefordert wird.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er hat seinen Wohnsitz i.S. des § 38 Abs. 2a der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Bremen.
Die Familienkasse zahlte jedenfalls seit 2010 und auch im Streitzeitraum Kindergeld für die Kinder R. und M. an den Kläger.
Am 25. Oktober 2010 gingen bei der Familienkasse eine Bescheinigung ein, aus der sich ergab, dass das älteste Kind des Klägers, die Tochter S., geboren am … 1993, 2010/2011 in der Türkei den „… Mädchen Korankursus” besucht, sowie ein vom 13. April 2010 datierendes Schreiben der Senatorin für Bildung und Wissenschaft an die Familie des Klägers, aus dem sich ergab, dass die Tochter S. ab dem Schuljahr 2009/2010 bis zum 31. Juli 2011 von der Einhaltung der gesetzlichen Schulpflicht im Bundesland Bremen befreit wird.
Aufgrund Verfügung vom 27. Oktober 2010 wurde die Zahlung von Kindergeld für die Tochter S. für die Zeit ab November 2010 eingestellt.
Am 20. Dezember 2010 teilte die Ehefrau des Klägers und Kindesmutter, Frau I., dem für die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zuständigen Jobcenter Bremen auf einem von ihr unterschriebenen Formular „Veränderungsmitteilung – Arbeitslosengeld II / Sozialgeld” mit, dass sich die Anzahl der Personen in der bisher aus ihr selbst, dem Kläger, dem zweiten Kind E., geboren am … 1998 und den Kindern R. und M. bestehenden Bedarfsgemeinschaft geändert habe, weil der Kläger ausgezogen sei.
An 24. Januar 2011 erschien der Kläger bei der Familienkasse Bremen und teilte mit, dass sich seine Anschrift geändert habe und nunmehr … laute. Er unterschrieb die Erklärung, dass er ein Merkblatt besitze und dessen Inhalt kenne.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2011, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, forderte die Familienkasse Bremen den Kläger zur Beantwortung von Fragen zum Aufenthalt seines Kindes S. in der Türkei auf.
Am 28. Januar 2011 ging ein am 27. Januar 2011 vom Kläger unterschriebenes Antwortschreiben bei der Familienkasse Bremen ein, in dem er mitteilte, dass seine Tochter S. seit dem 3. Juli 2010 für voraussichtlich 3 Jahre in der Türkei bei ihrer Großmutter lebe, zum „… Mädchen Korankursus” gehe und sich alle 6 Monate für 7 bis 10 Tage bei ihm, dem Kläger, in Deutschland aufhalte.
Mit Verfügung vom 31. Januar 2011 setzte die Familienkasse Bremen Kindergeld für die Tochter S. für die Zeit ab Februar 2011 sowie einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 645,- EUR für die Monate November 2010 bis Januar 2011 fest. Intern befristete die Familienkasse Bremen die Auszahlung von Kindergeld für die Tochter S. an den Kläger...