Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinszuschlag nach § 7g Abs. 6 EStG bei Überschussrechnung. Unterjährige Rücklagenauflösung. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach dem Wortlaut des § 7g Abs. 5 EStG muss zwischen Bildung und Auflösung der Rücklage ein volles Wirtschaftsjahr liegen, damit ein Gewinnzuschlag vorgenommen werden kann.
2. Aus den bilanzrechtlichen Grundsätzen ergibt sich zwingend, dass bei bilanzierenden Steuerpflichtigen eine Rücklage auch dann ein ganzes Jahr bestanden hat, wenn sie buchtechnisch bereits vor dem Schluss des Wirtschaftsjahres aufgelöst wird. Unterjährige Gewinnauswirkungen sind ausgeschlossen; Gewinnauswirkungen treten erst zum Schluss des Wirtschaftsjahres ein.
3. Bei der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG handelt es sich um eine Ist-Rechnung, bei der – von Ausnahmen abgesehen – die Grundsätze des § 11 EStG Anwendung finden. Daher ist kein Gewinnzuschlag vorzunehmen, wenn eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG buchtechnisch bereits vor Ablauf des Wirtschaftsjahres aufgelöst wird und die Rücklage daher nicht ein volles Wirtschaftsjahr lang bestanden hat.
Normenkette
EStG 1997 § 7g Abs. 6 Hs. 2, Abs. 5, 3, § 4 Abs. 3, 1, § 11
Tenor
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird die Einkommensteuer auf … DM festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Festsetzung eines Zinszuschlags gem. § 7 g Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 EStG i.H.v. 750 DM zulässig ist.
Der Kläger ist als … freiberuflich tätig und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Dezember 1997 nahm er gem. § 7 g Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 EStG eine Ansparabschreibung i.H.v. … DM vor. Der Kläger beabsichtigte, eine Kollegin einzustellen, und bildete die gewinnmindernde Rücklage in Höhe der erwarteten Kosten für die notwendigen Anschaffungen zur Einrichtung des Arbeitsplatzes. Als im November 1998 feststand, dass es zu der Einstellung nicht kommen würde, löste der Kläger noch im November 1998 die Rücklage auf und erfasste die … DM als Betriebseinnahme.
Der Beklagte erhöhte in dem Einkommensteuerbescheid für 1998 vom … die erklärten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit um einen Zinszuschlag i.H.v. … DM (= 6 % von … DM) gem. § 7 g Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 EStG.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom …. Der Zuschlag sei gem. § 7 g Abs. 5 EStG nur für jedes volle Wirtschaftsjahr anzusetzen. Die Rücklage habe jedoch nicht für ein volles Wirtschaftsjahr bestanden. Anders als der bilanzierende Steuerpflichtige könne der Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG durch vorzeitige Rücklagenauflösung innerhalb eines Jahres das Entstehen eines „vollen Wirtschaftsjahres” umgehen. Der Kläger verweist auf die Kommentierung in Schmidt/Drenseck Einkommensteuer § 7 g Rz 26.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15.05.2002 wies der Beklagte den Einspruch in diesem Punkt mit der Begründung zurück, die Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten, hätten durch die Regelung des § 7 g Abs. 6 EStG nicht besser gestellt werden sollen als bilanzierende Steuerpflichtige. Soweit das Gesetz die Erhebung des Zuschlags nur für volle Wirtschaftsjahre vorsehe, habe lediglich ausgeschlossen werden sollen, dass ein Zuschlag auch für das Wirtschaftsjahr vorgenommen werde, in dem die Rücklage erstmals gebildet werde. Der Gesetzgeber habe keine unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, und solchen, die gem. § 4 Abs. 1 EStG oder gem. § 5 EStG bilanzieren, beabsichtigt. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BFH vom 26.10.1989 (IV R 83/88, BStBl II 1990, 290) zur gleichgelagerten Problematik bei § 6 b EStG.
Mit – am … beim Finanzgericht eingegangenem – Schriftsatz vom … hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, der Ansatz des Zinszuschlags sei nicht gerechtfertigt, da die Rücklage kein volles Wirtschaftsjahr bestanden habe. Der Hinweis des Beklagten, ein volles Wirtschaftsjahr sei auch dann anzunehmen, wenn die Auflösung der Rücklage buchtechnisch bereits vor dem Ende des Wirtschaftsjahres erfolge, treffe nur für bilanzierende Steuerpflichtige zu.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid vom … in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf … DM festgesetzt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die der Berichterstatter mit Zustimmung der Beteiligten allein und ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 79 a Abs. 3 und 4, 90 Abs. 2 FGO), ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und...