rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsläufigkeit einer durch ein ausländisches Gericht verhängten Geldstrafe. Offensichtliches Unrecht. Lohnsteuer 1975
Leitsatz (amtlich)
Übersteigt eine von einem ausländischen Gericht verhängte Geldbuße bei Weitem das nach dem Rechtsempfinden in der Bundesrepublik Deutschland vertretbare Maß, so ist sie dem Steuerpflichtigen insoweit wegen offensichtlichen Unrechts zwangsläufig entstanden, und daher als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
Normenkette
EStG § 33
Tenor
Die Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 1978 wird aufgehoben. Unter Abänderung des Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheides vom 5. November 1976 wird die dem Kläger zu erstattende Lohnsteuer auf 3.257,64 DM festgesetzt.
Die Kosten fallen zu 46,5% dem Kläger und zu 53,5% dem Beklagten zur Last.
Die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Zeit vor dem 1. Februar 1979 auf 3.260 DM und für die Zeit danach auf 1.214 DM festgesetzt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO an den Bundesfinanzhof in München wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Abziehbarkeit einer von einem polnischen Gericht verhängten Geldstrafe zuzüglich Gerichts- und Verteidigungskosten als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger, der von Beruf Seemann ist, hatte im Jahre 1974 im Hafen von Gdingen (Gdynia in Polen) eine Auseinandersetzung mit einem Bediensteten der Hafenverwaltung. In deren Verlauf soll er, wie es in dem gegen ihn ergangenen Strafurteil zweiter Instanz heißt, u. a. gesagt haben: „Du polnischer Schweinehund wirst auf diesem Schiff nicht das Regiment führen.” Wegen dieses Vorfalls wurde er von polnischen Gerichten in erster Instanz zu einem Jahr und zwei Monaten und in zweiter Instanz zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe sowie in die Kosten des Verfahrens verurteilt. Nach den Gründen der vom Kläger abschriftlich vorgelegten Strafurteile hat der Kläger durch sein Verhalten das polnische Volk beleidigt. Nachdem der Kläger einen Teil der Strafe (8 1/2 Monate) verbüßt hatte, wurde die restliche Strafe in eine Geldstrafe von – umgerechnet – 16.500 DM umgewandelt. Einschließlich Gerichts- und Verteidigungskosten hatte der Kläger 17.289 DM zu entrichten. Hiervon brachte er im Streitjahr 3.000 DM aus eigenen Mitteln auf. Von einem Darlehen, das er wegen des Restbetrages aufnehmen mußte, zahlte er im Streitjahr 4.000 DM zurück.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1975 machte er 17.289 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt (FA) gab dem Antrag nicht statt und wies den gegen den LSt-Jahresausgleichsbescheid erhobenen Einspruch als unbegründet zurück.
Seine Klage begründet der Kläger damit, daß es vergleichbare Straftatbestände im deutschen Recht nicht gebe. Er habe daher die strafrechtlichen Folgen seines Verhaltens nicht vorhersehen und mithin nicht vermeiden können. Deshalb sei die Geldstrafe für ihn zwangsläufig gewesen. Außerdem sei die Strafe nach deutschem Rechtsempfinden viel zu hoch. Sie habe „Wiedergutmachungscharakter” und sei auch politisch motiviert. Für angemessen halte er eine Geldstrafe von 500 DM wegen Beleidigung des Hafenbediensteten.
Der Kläger beantragt,
7.000 DM als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es führt aus, Geldstrafen seien überhaupt nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Der Hinweis des Klägers auf Straftatbestände, die dem deutschen Recht fremd seien, greife nicht durch. Der Kläger hätte sich während seines Aufenthalts in Polen nach den gesetzlichen Bestimmungen dieses Staates richten müssen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Auffassung des FA, daß Geldstrafen und die entsprechenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten überhaupt nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien, schließt der Senat sich nicht an. Für Strafen, die von deutschen Gerichten nach deutschem Strafrecht verhängt werden, mag dies zutreffen, in der Regel wohl auch für Strafen, zu denen ausländische Gerichte deutsche Staatsangehörige verurteilen. Dies beruht auf der Überlegung, daß Aufwendungen (hier Strafen) dann nicht als zwangsläufig i. S. von § 33 EStG angesehen werden können, wenn der Steuerpflichtige durch eigenes Verhalten (strafbare Handlung) zur Entstehung der Aufwendungen beigetragen hat, mögen die Aufwendungen selbst auch unvermeidlich gewesen sein. Diese Überlegungen treffen aber nicht in jedem Falle zu, so z. B. dann nicht, wenn eine im Ausland verhängte Strafe sich nach deutschen Rechtsvorstellungen offensichtlich als Unrecht darstellt (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, Anm. 16 – 30, Stichwort „Strafe” mit weiteren Hinweisen). Insoweit erleidet der Grundsatz, daß es nicht Aufgabe der Steuergerichte ist, die Richtigkeit von strafgerichtlichen Urteilen nachzuprüfen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 8. April 1964 VI 165/62 S, BFHE 79, 274, BStBl III 196...