Entscheidungsstichwort (Thema)

Tabaksteuer. Beiziehung von Strafakten und Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen in das finanzgerichtliche Verfahren. Finanzamt trägt die Beweislast dafür, welche Menge von Zigaretten der Steuerpflichtige in Besitz hatte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zieht das Finanzgericht Strafakten zum Zwecke der Sachaufklärung bei, ergeht diese Maßnahme als prozessleitende Verfügung oder Aufklärungsanordnung; eines förmlichen Beweisbeschlusses bedarf es hierzu nicht.

2. Das Finanzgericht ist bei Vorgängen, die sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen sind, an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung weder gebunden noch daran gehindert, sich diese Feststellungen zu eigen zu machen.

3. Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige Besitz an der Menge von vorschriftswidrig eingeführten Zigaretten hatte, wie sie ihm von dem Finanzamt vorgeworfen wird, wirkt steuerbegründend und ist insoweit vom Finanzamt darzulegen und nachzuweisen.

 

Normenkette

FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 76 Abs. 1 S. 1; TabStG § 23 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, mit dem der Beklagte Tabaksteuer, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt hat.

Am … erließ der Beklagte einen Steuerbescheid, mit dem er gegenüber dem Kläger Tabaksteuer (TabStG) i.H.v. … EUR, Zoll i.H.v. … und Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. … EUR festsetzte. Zum Sachverhalt führte der Beklagte in dem Bescheid folgendes aus:

Am … legte der Kläger Einspruch gegen den Steuerbescheid ein.

Mit Urteil vom … verurteilte das Landgericht O. den Kläger wegen Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr. Hierbei handelte sich es nach dem Urteil des Landgerichts um folgenden Fall:

Am … erließ der Beklagte einen geänderten Einfuhrabgabenbescheid, in dem er die Tabaksteuer auf … EUR, den Zoll auf … EUR und die Einfuhrumsatzsteuer auf … EUR reduzierte.

In dem Bescheid fasste er den Sachverhalt wie folgt zusammen:

Mit Einspruchsentscheidung vom … 2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Für die Ermittlung der Zigarettenmenge sei von Bedeutung, dass die Käufer der Zigaretten (der Kläger sowie die Herren Ed. und L.) … EUR (Entgelt für Zigaretten) nicht zeitnah hätten aufbringen können.

Aus dem Inhalt der am … und am … geführten Telefonate ergebe sich ein für die gelieferten Zigaretten gezahlter Betrag i.H.v. … EUR; bei einem Preis von … EUR je Stange ergebe sich eine Zigarettenmenge von … Stück.

… Stangen (… Stück) Zigaretten hätten zurückgegeben werden müssen, da diese nicht hätten bezahlt werden können. Somit laute die maßgebliche Menge für die Besteuerung … Stück Zigaretten.

Nach Bekanntwerden des Urteils des Landgerichts O. vom … sei eine Überprüfung der Menge an unverzollten und unversteuerten Zigaretten, die von den am „Zigarettengeschäft” beteiligten Personen übernommen worden seien, durchgeführt worden. Die dem Strafurteil des Landgerichts O. zu Grunde liegende Zigarettenmenge werde seitens des Beklagten als nicht zutreffend angesehen. Aus den Ermittlungsunterlagen sei zu entnehmen, dass eine Zigarettenmenge von … Stück seinerzeit übernommen worden sei. Die Feststellungen aus dem Strafurteil des Landgerichts O. seien als widerlegt anzusehen.

Am … hat der Kläger Klage erhoben.

Die bloße Behauptung des Beklagten, die Feststellungen aus dem Strafurteil des Landgerichts O. seien als widerlegt anzusehen, sei keine ausreichende Begründung des Bescheides. Warum die Feststellungen des Beklagten auf welchen konkreten Ergebnissen der Telefonüberwachung beruhten und wie die Zuordnung zu dem Kläger konkret erfolgt sei, sei an keiner Stelle ausgeführt.

Allein schon die Angabe von Ort und Zeit, Art und Umfang der Empfangnahme, der Form des Besitzes sei nicht ausgeführt. Der Bescheid werde insoweit nicht den Anforderungen gerecht, als er sich nicht mit der Problematik, wie und insbesondere warum er sich anhand der vermeintlich tragenden Telefonüberwachungserkenntnisse mit dem Urteil des Landgerichts Osnabrück auseinandersetze.

Der Kläger beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid vom … in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … aufzuheben,

hilfsweise

den Steuerbescheid des Beklagten vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Feststellung des Urteils des Landgerichts O. vom … neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das „schlichte Übertragen” der vom Landgericht O. festgestellten Zigarettenmenge würde zur Rechtswidrigkeit der entsprechenden Bescheide führen. Im Rahmen einer nicht ausreichenden Sachaufklärung habe das Gericht davon abgesehen, anhand der zur Verfügung stehenden TKÜ-Unterlagen Aufklärungsbedürftiges aufzuklären. Die Protokolle der Telefonüberwachung seien Grundlage für die Bestimmung der Besteuerungsmenge gewesen. Der Auffassung des Klägers über den maßgeblichen rechtskräftigen Abschluss des Gesamtverfahrens könn...

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