rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Ausfalls von nach Einführung der Abgeltungsteuer ab 1.1.2009 erworbenen Genussrechten als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer entgegen der Verwaltungsauffassung (BMF, Schreiben v. 18.1.2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306, BStBl 2016 I S. 85) zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 EStG (Anschluss an BFH-Rechtsprechung).
2. Das gilt auch für den Ausfall von Genussrechten, wenn sie nach dem 31.12.2008 angeschafft worden sind und keine Beteiligung am Liquidationserlös einräumen (fremdkapitalähnliche Genussrechte); insoweit ist die Vorlage einer Bescheinigung im Sinne des § 43 Abs. 3 Satz 4 EStG 2015 verzichtbar, wenn die Gefahr eines doppelten Verlustabzugs nicht gegeben ist. Berücksichtigt werden kann aber nur der Ausfall des Genussrechtskapitals und nicht auch der Ausfall der vom Schuldner zugesagten, aber nie ausgezahlten Zinsen für díe Genussrechte.
3. Von einem Forderungsausfall ist erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden (im Streitfall: Jahr, in dem – nach Eröffung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin des streitigen Genussrechtskapitals – der Insolvenzplan durch das Insolvenzgericht bestätigt und das Insolvenzverfahren wieder aufgehoben worden ist).
4. Bezüge aus Genussrechten, die keine Beteiligung am Liquidationserlös einräumen (fremdkapitalähnliche Genussrechte), unterfallen § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Normenkette
EStG 2015 § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 5, § 43a Abs. 3 S. 4
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 9. März 2017 in der Fassung vom 24. November 2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2020 wird in der Weise geändert, dass negative Einkünfte aus Kapitalvermögen der Klägerin zu 2. in Höhe von 16.880 EUR berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 94,70% und die Kläger zu 5,30%.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. von 110 v. H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin zeichnete Genussrechte an … GmbH & Co KG, deren Komplementärin die … GmbH (GmbH) war. Sie zeichnete im September 2007 und im Februar 2008 Genussrechte in Höhe von jeweils 10.000 EUR. Die Klägerin zeichnete nach Einführung der Abgeltungssteuer weitere Genussrechte am 27. Mai 2009 in Höhe von 15.000 EUR, am 21. Juli 2009 in Höhe von 10.000 EUR, am 15. Februar 2010 in Höhe von 5.000 EUR und am 10. Juni 2010 in Höhe von 10.000 EUR.
Nach dem Zeichnungsschein für die … Genussrechte (Genussrechtsbedingungen der … GmbH & Co KG) vom 17. Oktober 2005 (Bl. 74 75 GA) wird mit der Einzahlung des gezeichneten Genussrechtskapitals ein Anspruch auf Verzinsung erworben (§ 5). Im Falle der Auflösung der Gesellschaft besteht ein Anspruch auf Rückzahlung des Genussrechtkapitals zum Buchwert (§ 11).
Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom … 2014 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Es wurde von den Gläubigern ein Genossenschaftsinsolvenzplan der GmbH angenommen und am … 2015 durch das Insolvenzgericht bestätigt. Danach erhält jeder Gläubiger die allgemeine Insolvenzquote von 57,8%.
Im Kontoauszug der … GmbH i. L. vom 25. Juni 2014 wurde ein Guthaben der Klägerin in Höhe von 63.331,80 EUR ausgewiesen. Davon betrafen 3.331,80 EUR Zinsgutschriften für den Zeitraum 1.7.2013 bis 30.4.2014.
In der Forderungsanmeldung der Klägerin im Insolvenzverfahren wurden als Hauptforderung 63.331,80 EUR und als Kosten 25 EUR geltend gemacht. Für die Klägerin wurde nach der Insolvenztabelle eine Insolvenzforderung in Höhe von 63.356,80 EUR anerkannt. Zum 31. Juli 2015 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom 9. März 2017 wurden die Kläger erklärungsgemäß veranlagt.
Am 16. März 2017 wurde Einspruch eingelegt. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass Verluste aus der Insolvenz der GmbH zu berücksichtigen seien. Mit Schreiben vom 10. Januar 2018 beantragten sie die unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 VIII R 13/15, BFHE 259, 535 die Berücksichtigung der Verluste anlässlich des Forderungsausfalls.
Am 24. November 2017 erfolgte eine Änderung des Einkommensteuerbescheide...