Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Sozialleistungsträgers bei Heimunterbringung des schwerbehinderten Kindes und Erbringung von Eingliederungshilfe auf Erstattung des Kindergeldes von der Familienkasse. Familienleistungsausgleich (Kindergeld für Gabriele A…)
Leitsatz (redaktionell)
1. Trägt der Sozialleistungsträger die Kosten der Heimunterbringung des schwerbehinderten, volljährigen und vollstationär untergebrachten Kindes, so kann er einen Kindergeld-Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse nur dann auf § 74 Abs.2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X stützen, wenn er gegenüber dem Kindergeldberechtigten oder dem Kind selbst einen Aufwendungsersatz tatsächlich geltend gemacht bzw. einen Kostenfestsetzungsbescheid tatsächlich erlassen hat und sich dabei ausdrücklich auf das Kindergeld als Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bezogen hat. Die Erhebung eines nicht auf das Kindergeld bezogenen Kostenfestsetzungsbescheids bzw. das Geltendmachen eines nicht kindergeldbezogenen Aufwendungsersatzanspruchs genügen nicht (hier: Aufwendungsersatz durch Auszahlung einer Rente sowie des Arbeitslohnes des Kindes in der Behindertenwerkstatt an den Sozialleistungsträger).
2. Die Klage, mit der der Sozialleistungsträger als nachrangiger Leistungsträger seinen (vermeintlichen) Kindergeld-Erstattungsanspruch gegenüber der Familienkasse gemäß § 104 SGB X geltend macht, ist eine ohne Vorverfahren zulässige, nicht fristgebundene allgemeine Leistungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 FGO.
3. § 90 Abs. 1 BSHG betrifft nach seinem Wortlaut nur Ansprüche des Sozialleistungsträgers gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist, und ist damit nicht auf Kindergeld-Erstattungsansprüche gegen die Familienkasse anwendbar.
Normenkette
SGB X § 104 Abs. 1 S. 4; BSHG § 90; FGO § 40 Abs. 1; SGB I § 12
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Das behinderte Kind Gabriele A…, geboren im Juli 1959, ist vollstationär in einer Behinderteneinrichtung untergebracht. Die Eltern des Kindes kümmern sich um ihr Kind, indem sie zwei Wochenenden im Monat mit ihm verbringen und teilweise Aufwendungen in dieser Zeit für das Kind tragen. Die Kosten der Unterbringung in der Behinderteneinrichtung werden von der Klägerin, der Stadt L… als Sozialleistungsträger, übernommen. Seit Juli 2000 wird von der Mutter des Kindes ein Kostenbeitrag über DM 25,59 erhoben, der mit der ihr gewährten ergänzenden Sozialhilfe verrechnet wird. Die Klägerin hat Aufwendungsersatz geltend gemacht gegenüber dem betreuten Kind, sie hat sich die Rente des Kindes sowie den Lohn aus der Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte abzüglich eines Selbstbehaltes auszahlen lassen.
Das Kind Gabriele A… erhält eine Rente in Höhe von monatlich etwa DM 466 (Bruttobetrag) sowie etwa DM 110 monatlich aus der Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte. Die Klägerin stellte im Januar 2000 einen als „Überleitungsanzeige” benannten Antrag auf Leistungsbewilligung. Darin bat sie um Auszahlung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG –. Zur Begründung führte sie an, dass gemäß § 90 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – der Sozialhilfeträger den Anspruch eines Hilfeempfängers oder seiner Eltern gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger im Sinne des § 12 Erstes Sozialgesetzbuch – SGB I – ist, bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf sich überleiten könne. Im Weiteren wird auf den Antrag Bezug genommen.
Die Beklagte stellte zunächst die Zahlungen des Kindergeldes an den kindergeldberechtigten Vater des Kindes, den Beigeladenen, ab Januar 2000 ein. Sie wertete den Antrag der Klägerin als Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 EStG und lehnte mit Bescheid vom 19. Oktober 2000 den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Beigeladene seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht in Form von Betreuungsleistungen nachkomme. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Einspruchsentscheidung lehnte die Beklagte auch einen Erstattungsanspruch ab mit dem Hinweis, ein Kostenfestsetzungsbescheid gegenüber dem Beigeladenen sei nicht vorgelegt worden. Die Beklagte zahlte das Kindergeld an den Beigeladenen aus.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, sie habe gemäß § 90 BSHG einen Anspruch auf Kindergeld aus übergegangenem Recht. Zumindest aber sei sie, die Klägerin, nach § 74 Abs. 2 EStG n.F. in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch – SGB X – erstattungsberechtigt. Sie habe auch ausdrücklich die Erstattung des Kindergeldes begehrt. Die Voraussetzungen hierfür seien erfüllt, da das Kind zu einem monatlichen Kostenbeitrag aus seiner Rente h...