Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht der Umsätze aus der Vermietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Vorsorgekuren für an Diabetes mellitus erkrankte Kinder sowie aus der Verköstigung der Patienten. Pflegebedürftigkeit. Umsatzsteuer 1997 bis 1999
Leitsatz (redaktionell)
Umsätze aus der Vermietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Vorsorgekuren für an Diabetes mellitus erkrankte Kinder sowie aus der Verköstigung der Patienten sind nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG umsatzsteuerfrei. Die Befreiung scheitert daran, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte Kinder mit Diabetes mellitus nicht pflegebedürftig im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB 11 sind, weil die Krankheit regelmäßig nicht zu einer Hilfsbedürftigkeit in Bezug auf die in § 14 Abs. 4 SGB 11 aufgezählten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens führt.
Normenkette
UStG 1996 § 4 Nr. 16 Buchst. e; UStG 1999 § 4 Nr. 16 Buchst. e; SGB XI § 14 Abs. 1, 4
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren das Begegnungszentrum X.-hof in 1 … L…. Sie bot die Beherbergung und Verköstigung von Personen im Rahmen von größeren Veranstaltungen, wie etwa Klassenfahrten, Schulungen, Ausländertreffen, Parteitagungen, Hochzeiten und Geburtstagen an. Darüber hinaus führte die Y.-Klinik M… dort mit Unterstützung des Z… e. V. Förderverein für diabetische Kinder und Jugendliche im Land Brandenburg Vorsorgekuren für Kinder mit Diabetes mellitus im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren durch. Zu diesem Zweck wurden die erkrankten Kinder in den Räumlichkeiten des X.-hofes untergebracht und von den Mitarbeitern der Y.-Klinik vor Ort medizinisch betreut. Der Tagesablauf der Patienten gestaltete sich dabei so, dass nach dem Wecken zunächst die Blutzuckerwerte festgestellt wurden, und zwar bei den älteren Kindern mittels deren eigener Messgeräte und bei den jüngeren Kindern durch eine in dem im X.-hof vorübergehend eingerichteten Labor vorgenommene Analyse. Nach den Tests wurde festgelegt, welche Insulindosis und welche Mahlzeiten in welchen Zeiträumen verabreicht werden mussten. Auch wurde festgelegt, welche Belastungen die Patienten an den jeweiligen Tagen absolvieren durften und in welchen Abständen die Blutzuckerwerte zu überprüfen waren. Im Laufe des Tages wurde ein Bewegungstraining zur Beeinflussung des Stoffwechsels durchgeführt und fanden Schulungen, etwa zu Fragen der Lebensplanung, der Zahnhygiene, der Stoffwechselanregung oder der Folgeerkrankungen von Augen und Nieren statt. Die Zubereitung der Speisen erfolgte durch die Angestellten der Klägerin, die jedoch den Weisungen der Mitarbeiter der Y.-Klinik unterlagen. Während der Nacht war eine Nachtwache eingerichtet, deren Aufgabe unter anderem darin bestand, bei vereinzelten Patienten auch nachts die Blutzuckerwerte festzustellen. Bei Ausflügen war eine medizinische Versorgung gewährleistet. Sofern diese Ausflüge mit dem Bus erfolgten, waren pro Bus ein Arzt, zwei Schwestern, zwei Diätassistentinnen und weitere Betreuer anwesend. Blutzuckermessgeräte, Insulin und Verpflegung wurden mitgenommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin eingereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll zum Erörterungstermin vom 21.01.2003 verwiesen.
In den für die Streitjahre abgegebenen Umsatzsteuererklärungen behandelte die Klägerin die im Hinblick auf die durchgeführten Kuren entstandenen Umsätze als steuerfrei.
Anlässlich einer im Jahre 2000 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die steuerfrei belassenen Umsätze steuerpflichtig seien. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Umsatzsteuergesetz – UStG – greife nicht ein, weil die Kuren von der Y.-Klinik durchgeführt würden und nicht von der Klägerin selbst. Diese vermiete lediglich ihre Einrichtung an die Y.-Klinik. Aus diesem Grund sei die Umsatzsteuer 1997 um 23.863,04 DM, die Umsatzsteuer 1998 um 24.266,21 DM und die Umsatzsteuer 1999 um 23.448,28 DM zu erhöhen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Prüferin und setzte zunächst die Umsatzsteuer 1997 sowie die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Dezember 1998 und Dezember 1999 neu fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Am 12.12.2000 erließ der Beklagte den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 1998. Mit der Einspruchsentscheidung vom 30.05.2001 wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte am 01.10.2002 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 1999 erlassen und am 15.10.2002 den Umsatzsteuerjahresbescheid 1998 in Folge einer zwischenzeitlich durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung geändert.
Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Durchführung von Vorsorgekuren für an Diabetes erkrankte Kinder von der damaligen Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, Frau Regine Hildebrandt, ins Leben gerufen worden sei. Es handele sich um...