Entscheidungsstichwort (Thema)
Von Steuerberater im Jahr 2023 bei einem Finanzgericht im „docx”-Format eingereichter AdV-Antrag formunwirksam. nach § 52a Abs. 6 Satz 2 FGO keine Heilung des Formmangels ohne Glaubhaftmachung der inhaltlichen Übereinstimmung des nunmehr im „pdf”-Format nachgereichten Dokuments mit dem ursprünglich im „docx”-Format eingereichten Dokument
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO unterliegt an sich keiner besonderen Form, er muss aber in sinngemäßer Anwendung des § 64 Abs. 1 FGO schriftlich, ersatzweise mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form im Sinne des § 52a FGO gestellt werden.
2. Geht ein von einem Steuerberater beim Finanzgericht im Jahr 2023 eingereichter Antrag auf AdV im Format „docx” ein, ist er nach § 2 Abs. 1 ERVV formunwirksam (vgl. insoweit auch BAG, Urteil v. 25.8.2022, 6 AZR 499/21; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 27.9.2023, L 6 BA 7/22).
3. § 52a Abs. 6 FGO beinhaltet eine Eingangsfiktion nach bereinigtem Übermittlungsfehler; ist ein von einem Steuerberater ursprünglich im Format „docx” eingereichter AdV-Antrag nunmehr im Format „pdf” nachgereicht worden, tritt eine Heilung des ursprünglichen Formmangels nach § 52a Abs. 6 Satz 2 FGO nicht ein, wenn es an der erforderlichen Glaubhaftmachung (beispielsweise durch eine eidesstattliche Versicherung des Berufsträgers) fehlt, dass der nachgereichte Schriftsatz mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Insoweit ist unerheblich, ob beim Finanzgericht die elektronische Akte die führende ist oder noch die Papierakte.
Normenkette
FGO § 52a Abs. 1, 6 Sätze 1-2, § 52d Sätze 1-2, § 64 Abs. 1, § 69 Abs. 3; ERVV § 2 Abs. 1
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über Feststellungen im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung, die zum Erlass eines Haftungs- und Nachforderungsbescheides wegen Lohnsteuern gegenüber der Antragstellerin geführt haben.
Die Antragstellerin ist im Bereich tätig. Sie beschäftigte im Zeitraum Januar 2016 bis Dezember 2019 25 Arbeitnehmer.
Der Antragsgegner führte bei der Antragstellerin für den bezeichneten Zeitraum eine Lohnsteueraußenprüfung durch, die zu verschiedenen Feststellungen führte.
Die Antragstellerin hatte verschiedenen Arbeitnehmern für auswärtige Tätigkeiten Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen ersetzt und diese als steuerfreien Aufwendungsersatz behandelt. Mangels Nachweisen hierüber behandelte die Lohnsteueraußenprüfung die Erstattungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 24. Februar 2023 Bezug genommen.
Der Antragsgegner folgte den Feststellungen und erließ am 22. Mai 2023 einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid. Im Rahmen dieses Bescheides wurden neben hier nicht streitgegenständlichen Haftungsbeträgen Steuernachforderungen wegen Fahrtkostenzuschüssen und steuerfreien Verpflegungszuschüssen geltend gemacht.
Dagegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrem Einspruch vom 23. Juni 2023 und es wurde die Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt. Mit Bescheid vom 28. Juni 2023 wies der Antragsgegner den Antrag auf AdV zurück.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. August 2023 wies der Antragsgegner den Einspruch als unbegründet zurück.
Nach dem Prüfvermerk vom 26. September 2023 gingen am 25. September 2023 bei Gericht aus einem besonderen Steuerberaterpostfach Dokumente ein, nämlich eine Klageschrift nebst eines Antrags auf AdV im Format „docx” und verschiedene Anlagen im Format „pdf”.
Die Sachen wurden zunächst beim 2. Senat des Gerichts aufgenommen (Az. 2 K 658/23 und 2 V 659/23), da in der Klageschrift Haftungsbescheide als Streitgegenstand bezeichnet waren und der 2. Senat hierfür zuständig ist. Nachdem ermittelt werden konnte, dass ausschließlich Steuernachforderungen Streitgegenstand sind, wurden die Sachen an den insoweit zuständigen 1. Senat abgegeben und dort unter den Az. 1 K 658/23 und 1 V 659/23 aufgenommen.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 21. Dezember 2023 wurde der Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass für die streitgegenständliche Klageschrift nach § 52d FGO eine Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs besteht, nach § 52a Abs. 2 FGO das eingereichte elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein muss und hierzu in § 2 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I 2017, 3803, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 9. Februar 2018, BGBl. I 2018, 200) als Format für elektronisch eingereichte Dokumente ausschließlich „pdf” oder „tiff” zulässig sei.
Der Prozessbevollmächtigte wurde darauf hingewiesen, dass der am letzten Tag der laufenden Frist eingereichte Klageschriftsatz im Format „docx” nicht der Form entsprechen und damit unwirksam sein dürfte. Ihm wurde weite...