Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei einvernehmicher Hauptsacheerledigung. Rechtsschutzbedürfnis für eingeschränkten gerichtlichen AdV-Antrag nach teilweiser AdV-Gewährung unter Widerrufsvorbehalt durch das FA. Konkurrenz von gerichtlicher und behördlicher Adv-Gewährung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einvernehmlicher Erklärung der Hauptsacheerledigung darf das Gericht auch dann nicht mehr in der Hauptsache, sondern lediglich noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden, wenn sich der Rechtsstreit tatsächlich nicht erledigt hat. Die Kosten sind nach Maßgabe des mutmaßlichen Ausgangs des Rechtsstreits bei einer streitigen Entscheidung im Zeitpunkt des erstmaligen Vorliegens übereinstimmender Erledigungserklärungen in der Hauptsache zu verteilen.
2. Ergeht eine gerichtliche Entscheidung, durch die die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids ausgesetzt wird, so bindet diese die betroffene Verwaltungsbehörde; nur das Gericht der Hauptsache kann gem. § 69 Abs. 6 S. 1 FGO die von ihm nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO getroffene Aussetzungsanordnung ändern oder aufheben. Eine von der Finanzbehörde während des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens gewährte, unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gestellte Aussetzung der Vollziehung erledigt nicht das Anliegen des Steuerpflichtigen, vor einer Vollziehung unabhängig von dem Standpunkt der Verwaltungsbehörde geschützt zu sein; dieses Anliegen ist jedoch nicht statthaft, da die FGO einen derart ausgestalteten einstweiligen Rechtsschutz nicht vorsieht.
3. Die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen, dem das FA Aussetzung der Vollziehung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gewährt hat, ist qualitativ ungünstiger als die desjenigen Steuerpflichtigen, dem die Aussetzung der Vollziehung ohne eine solche Nebenbestimmung gewährt worden ist.
4. Ein anzuerkennendes Rechtsschutzbedürfnis für einen gerichtlichen AdV-Antrag besteht zwar auch dann, wenn derjenige, der Rechtsschutz sucht, dies in geringerem Umfang tut, als es der Verletzung in seinen Rechten entspricht. Es fehlt aber an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn Rechtsschutz nicht lediglich in eingeschränkter Quantität, sondern in einer vergleichsweise ungünstigen Qualität begehrt wird, obwohl ein effektiverer und effizienterer Rechtsschutz ohne auch nur unter einem einzelnen Aspekt größeren Anstrengungen, Anforderungen oder Risiken zu erlangen ist.
5. Ein Nebeneinander behördlicher und gerichtlicher Aussetzung der Vollziehung ist gesetzeskonform, nicht hingegen ein Ineinandergreifen. Das Gericht hat im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, nicht aber eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde zu überprüfen und etwaig zu modifizieren.
6. Die gem. § 120 Abs. 1, 2 Nr. 3 und Abs. 3 AO erfolgte Beifügung eines Widerrufsvorbehalts in einer Aussetzungsverfügung des FA ist der finanzgerichtlichen Kontrolle entzogen. Gegen die Ablehnung der Vollziehung durch die Finanzbehörde kann zwar das Einspruchsverfahren beschritten werden, gegen die Einspruchsentscheidung ist jedoch eine Klage nicht statthaft.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 4, 6 S. 1, § 138 Abs. 1-2, § 96 Abs. 1 S. 2, § 102; AO § 361 Abs. 1, 5, §§ 5, 120
Tenor
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die X GmbH, die im Streitjahr noch als Y GmbH firmierte, ist … auf die Antragstellerin, die Z GmbH & Co. KG, verschmolzen worden, was … bei letzterer in das Handelsregister eingetragen worden ist.
Mit Bescheiden vom …Mai 2012 setzte der Antragsgegner die Körperschaftsteuer für 2007 auf 9.025,– EUR und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 auf 2.045,– EUR fest.
Die gegen die Bescheide … gerichteten Einsprüche gingen beim Antragsgegner am … Juni 2012 ein. Der Antragsgegner hat über sie bislang nicht entschieden.
Mit Bescheiden vom … Juli 2012 setzte der Antragsgegner die Körperschaftsteuer für 2007 auf 24.724,– EUR und den Gewerbesteuermessbetrag für 2007 auf 5.185,– EUR fest. Die gegen die Bescheide vom … Juli 2012 gerichteten Einsprüche gingen beim Antragsgegner am … August 2012 ein.
Am … August 2012 setzte der Antragsgegner die Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheids für 2007 vom … Juli 2012 i.H.v. 9.108,– EUR und diejenige des Gewerbesteuermessbescheids selben Datums i.H.v. 575,– EUR, wobei er bestimmte, über eine Sicherheitsleistung sei bei der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids zu entscheiden, jeweils unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs aus und lehnte eine weitere Aussetzung der Vollziehung ab.
Der Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung ist beim Finanzgericht am … November 2012 eingegangen.
Die Einsprüche gegen die Bescheide vom … Juli 2012 hat der Antragsgegner am … Februar 2013 als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat, bevor sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ausgeführt, ein Hauptsacheverfahren sei seit dem … August 2012 im Rahmen des anhängigen Einspruchsverfahrens beim Antragsgegner anhängig, ohne das früher angestren...