rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kleinunternehmerregelung bei nachträglich von Betriebsprüfung festgestellter geringfügiger Überschreitung der 17.500-Euro-Vorjahresumsatzgrenze nicht anwendbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Umsatzgrenze von maximal 17.500 Euro Vorjahresumsatz als Voraussetzung für die Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG) starr ist, dass auch ein geringfügiges Überschreiten die Anwendung des § 19 UStG ausschließt und dass Umfang und Umstände des Überschreitens sowie ein Verschulden insoweit ohne Bedeutung sind.
2. Die Kleinunternehmerregelung ist daher nicht anwendbar, wenn sich aufgrund einer Außenprüfung nachträglich ergibt, dass die Höhe des Vorjahresumsatzes die Umsatzgrenze von 17.500 Euro geringfügig (hier: von Betriebsprüfung mit 18.172 Euro festgestellter Vorjahresumsatz) überschritten hat. Ist der Unternehmer aber subjektiv von einem Nichtüberschreiten ausgegangen und hat er die Kleinunternehmerregelung deswegen weiter angewendet, kommt eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht, die aber in einem gesonderten Billigkeitsverfahren und nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung zu überprüfen ist.
Normenkette
UStG § 19 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; AO §§ 163, 227
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Besteuerung des Antragstellers als Kleinunternehmer nach § 19 Umsatzsteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG).
Der Antragsteller betreibt einen Verleih von Licht- und Tontechnik. Weil er für das Streitjahr zunächst keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Antragsgegner die Besteuerungsgrundlagen nach den Grundsätzen der Regelbesteuerung und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 entsprechend fest.
Dagegen hat der Antragsteller Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist. Nachdem der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte, hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides durch das Gericht beantragt.
Zur Begründung trägt er vor, er unterliege mit seinen Umsätzen des Streitjahrs der Kleinunternehmerbesteuerung, weil nach seinen Aufzeichnungen der Umsatz des Vorjahres 2012 nur 17.239,48 EUR betragen habe und er davon ausgegangen sei, dass er auch im Streitjahr 2013 die Grenze von 17.500,00 EUR nicht überschreiten werde. Im Rahmen einer im Januar 2015 begonnenen Außenprüfung sei jedoch festgestellt worden, dass er sich bei der Zusammenstellung seiner Umsätze aus 2012 um 152,78 EUR verrechnet habe. Weil er außerdem für die von ihm getätigten Privateinlagen keinen Nachweis habe erbringen können, seien Umsätze i.H.v. zunächst 2980,00 EUR hinzu geschätzt worden, die im Laufe des Einspruchsverfahrens aber auf 780,00 EUR vermindert worden seien. Mit den danach verbliebenen Umsätzen von 18.172,26 EUR überschreite er die Umsatzgrenze mithin nur geringfügig.
Der Antragsteller ist der Ansicht, das Überschreiten dieser Grenze müsse zu Beginn des Kalenderjahres für den Unternehmer offensichtlich und bekannt sein. Daran fehle es im Streitfall. Selbst unter Berücksichtigung des Rechenfehlers werde nach seiner Aufstellung die Umsatzgrenze nicht überschritten. Er habe deshalb die Regelung des § 19 UStG korrekterweise auch im Streitjahr angewendet, keine Umsatzsteuer berechnet und einen Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht. Da die Entscheidung, die Regeln der Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch zu nehmen, zu Beginn eines Kalenderjahres getroffen werden müsse, müsse auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden. Im Übrigen habe er die verbliebene Hinzuschätzung von 780,00 EUR lediglich deshalb akzeptiert, um das Verfahren zu beenden. Dass er diese Umsätze tatsächlich erzielt habe, werde weiterhin bestritten und habe auch seitens des Antragsgegners nicht belegt werden können. Insofern sei die Hinzuschätzung für die Beurteilung der Anwendung der Kleinunternehmerregelung irrelevant. Da er, der Antragsteller, davon ausgegangen sei, nur die Umsätze laut eigener Aufstellung erzielt zu haben, sei seine Entscheidung korrekt gewesen, die Regelungen des § 19 UStG auch im Streitjahr in Anspruch zu nehmen. Es könne gesetzlich nicht gewollt sein, dass erst Jahre später erlangte Erkenntnisse soweit zurückwirkten, dass sie das ursprünglich bekannte Wissen ersetzten.
Der Antragsgegner hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist zur Begründung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung über den Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 30. November 2015.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakt...