rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Überprüfung einer Arrestanordnung. keine Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen bei bewusster Beteiligung an Steuerhinterziehung. Vertrauensschutz
Leitsatz (redaktionell)
1. Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gem. § 324 Abs. 1 AO den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und Arrestgrund zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Nach Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände müssen jedoch mehr Gründe für als gegen das Bestehen von Arrestanspruch und Arrestgrund sprechen.
2. Ein Arrestgrund liegt vor, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung der vom Antragsgegner glaubhaft gemachten Umstände die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die spätere Vollstreckung des streitigen Steueranspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
3. Nach Ablauf der in § 324 Abs. 3 S. 1 AO bestimmten Monatsfrist ist eine Vollziehung der Arrestanordnung unzulässig. Durch die Unzulässigkeit weiterer Vollstreckungsmaßnahmen entfällt das Rechtsschutzbedürfnis auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des noch nicht durch den Antragsgegner mittels Vollstreckungsmaßnahmen ausgeschöpften Betrags der Arrestsumme.
4. Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den „sicheren Nachweis” der materiellen Anforderungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verhindern.
5. Selbst wenn die formalen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind (Beleg- und Buchnachweis) oder der Beweis des tatsächlichen Empfängers und Lieferorts geführt werden könnte (objektiver Nachweis), ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen nach Täuschung über den wahren Abnehmer bzw. nach Verschleierung seiner Identität, wodurch die Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird, oder bei bewusster Beteiligung an einer auf der nachfolgenden Handelsstufe einer Lieferkette begangenen Umsatzsteuerhinterziehung.
6. Ausgeschlossen ist der Vertrauensschutz und damit die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn (wie bei summarischer Prüfung vorliegend) objektive Anhaltspunkte darauf schließen lassen, dass der Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und der Verkäufer nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren oder vernünftiger Weise zu verlangenden Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
Normenkette
AO § 324 Abs. 1, 3 S. 1, § 5; UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, 3-4; UStDV § 17a; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Sätze 2, 7
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer bereits teilweise vollzogenen Arrestanordnung.
Die Antragstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2013 gegründet und am ... Juni 2013 in das Handelsregister B des Amtsgerichts Y eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war ausweislich der Eintragung im Handelsregister ... (Hinweis des Dokumentars: Handel und Tätigkeiten im Zusammenhang mit u.a. Öl). .... In der Gesellschafterversammlung vom ... 2015 wurde der Gegenstand des Unternehmens dahingehend erweitert, dass auch die Lagerung und der Großhandel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen aller Art hiervon umfasst sein sollen.
Die Antragstellerin verfügt nicht über ein eigenes Tanklager, sondern führt ihre Lieferungen über ein in X mittels Lager- und Umschlagvertrag vom 20. Juli 2013/ 09. August 2013 angemietetes Tanklager der F aus, wofür der Antragsgegner der Antragstellerin die Bewilligung zur Einrichtung und zum Betreiben eines Umsatzsteuerlagers i.S.v. § 4 Nr. 4a Umsatzsteuergesetz (UStG) erteilt hat. Die Antragstellerin erwirbt ihre Waren ausschließlich von der G.
Die Antragstellerin stand in den Jahren 2014 bis 2016 in Geschäftsbeziehungen zu verschiedenen ausländischen Gesellschaften, insbesondere zur
- H mit Sitz in W,
- I mit Sitz in V,
- J mit Sitz in U (T)
- K mit Sitz in T
- L mit Sitz in S (R)
- M mit Sitz in Q (R)
Die Vermittlung der Geschäftskontakte erfolgte zum Teil über die N mit Sitz in Q, deren Geschäftsführer mit den Geschäftsführern der Antragstellerin C und D identisch sind. Die Vermittlerin erhielt für die Vermittlung jeweils eine Provision von 4,00 EUR/Tonne.
In Ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen für 2014 und 2015, denen der Antragsgegner jeweils zustimmte, sowie in den Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar und Februar 2016 erklärte die Antragstellerin u.a. (steuerfrei...