Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitraum der Berücksichtigung des am 31.12. ausgezahlten Entlassungsgelds (Ende des Grundwehrdienstes) bei den kindergeldrechtlichen Einkünften und Bezügen
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu den Bezügen i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gehört grundsätzlich auch das im letzten Monat eines Grundwehrdienstes bezogene Entlassungsentgelt.
2. Hat der volljährige Sohn vom 1.4. bis zum 31.12. des Vorjahrs seinen gesetzlichen Grundwehrdienst abgeleistet, so ist ein am 31.12. des Vorjahres bei Beendigung des Wehrdienstes ausgezahltes Entlassungsgeld bei der Ermittlung der kindergeldrechtlichen Grenzbetrags (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) des laufenden Jahres nicht mit einzubeziehen (Abgrenzung vom BFH, Urteil v. 14.5.2002, VIII R 57/00, BFH/NV 2002, 1221). Die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sei eindeutig und auch auf das Entlassungsgeld anzuwenden ist. Die Erfassung erfolgt dementsprechend im Jahr des Zuflusses.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Sätze 2, 7-8, § 11 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 22. März 2006 und deren Einspruchsentscheidung vom 26. April 2006 werden aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, für den am … geborenen Sohn … für den Zeitraum 01. Januar bis 30. April 2005 und vom 01. September bis zum 31. Dezember 2005 Kindergeld festzusetzen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob und inwieweit ein an den Sohn der Klägerin mit Beendigung des Grundwehrdienstes gezahltes Entlassungsgeld in den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) einzubeziehen ist.
Der Sohn …, geboren am …, leistete in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2004 seinen Grundwehrdienst ab. Am Tag seiner Entlassung, dem 31. Dezember 2004, erhielt er ein Entlassungsgeld in Höhe von 690,24 EUR.
Mit Antrag vom 10. Januar 2006 begehrte die Klägerin Kindergeld für ihren Sohn und gab an, dass dieser im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 18. April 2005 bei der Agentur für Arbeit … als Arbeitssuchender gemeldet und geführt worden sei. Mit „Erklärung zu den Einkünften und Bezügen” vom 13. März 2006 gab die Klägerin an, dass der Sohn für den Zeitraum 1. Januar bis 18. April 2005 lediglich Leistungen (Arbeitslosengeld) von einer Agentur für Arbeit in Höhe von 22,26 EUR täglich erhalten habe.
Vom 19. April bis 31. Juli 2005 war der Sohn bei der Firma …, vom 1. August bis zum 9. September 2005 bei der Firma … beschäftigt. Zum 10. September 2005 war er erneut (bis zum Ende des Jahres) als Arbeitssuchender gemeldet.
Die Beklagte berechnete die Bezüge des Kindes unter Einbeziehung des Entlassungsgeldes und einer anteiligen Kostenpauschale in Höhe von 120 EUR und errechnete für den Anspruchszeitraum Januar bis April sowie September bis Dezember 2005 einen Gesamtbetrag der Bezüge in Höhe von 5.445,18 EUR. Die Einkommensgrenze von 5.120 EUR (8/12 des Grenzbetrages von 7.680 EUR) wurde damit überschritten.
Mit Bescheid vom 22. März 2006 lehnte die Beklagte die Kindergeldzahlung ab. Hiergegen richtete sich der so bezeichnete „Widerspruch” vom 31. März 2006, der am 4. April 2006 bei der Beklagten einging. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass das Entlassungsgeld nicht in die Bezügeberechnung einzubeziehen sei, da dieses am 31. Dezember 2004 gezahlt worden und somit dem Jahr 2004 zuzurechnen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 2006 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass das Entlassungsgeld auf die Zeit nach Beendigung des Grundwehrdienstes entfalle und mithin den Bezügen des Jahres 2005 zuzurechnen sei.
Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2006, eingegangen bei Gericht am 15. Mai 2006, hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass das Entlassungsgeld nicht den Bezügen des Jahres 2005 zugerechnet werden könne, da es bereits am 31. Dezember 2004 ausgezahlt und mithin dem Sohn im Jahr 2004 zugeflossen sei. Darüber hinaus meint sie, dass bei der Ermittlung des Jahresbetrages Werbungskosten in Abzug gebracht werden müssten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2005 und vom 1. September 2005 bis 31. Dezember 2005 Kindergeld für ihren Sohn … zu gewähren und hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Mai 2005 – VIII R 57/00 die Ansicht, dass das Entlassungsgeld seinem Charakter nach eine Überbrückungshilfe für di...