Entscheidungsstichwort (Thema)
Produktionsabgabe für Zucker im Zuckerwirtschaftsjahr 2002/2003
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat sich der EuGH in seinem –zum vorliegenden Verfahren ergangenen– Urteil vom 27.9.2012 C-113/10 darauf beschränkt, die von der Kommission erlassene Verordnung (EG) Nr. 1193/2009 für ungültig zu erklären, soweit dies nicht bereits durch Nichtigkeitserklärung in einem seiner früheren Urteile erfolgt ist, scheidet eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO bis zu einer Neuregelung der Produktionsabgabe auf Zucker durch die Europäische Kommission aus. Die Gefahr von Anlastungen für den Bundeshaushalt rechtfertigt keine Hinauszögerung der rechtlich gebotenen Festsetzung eines Erstattungsanspruchs unter Zugrundelegung der während der Schwedischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagenen B-Abgabensätze auf Zucker für das Zuckerwirtschaftsjahr 2002/2003 von 82,411 Euro pro Tonne.
2. Die Höhe des anzuwendenden Zinssatzes beträgt gem. §§ 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 2 S. 1 MOG i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO 0,5 v. H. für jeden vollen Monat.
Normenkette
FGO § 74; EGV 1193/2009; EGV 1260/2001; AO § 238 Abs. 1 S. 1; MOG § 12 Abs. 1, § 14 Abs. 2 S. 1; AEUV Art. 266
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 02. Februar 2010 über Produktionsabgaben für das Zuckerwirtschaftsjahr 2002/2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2010 wird aufgehoben, soweit darin eine B-Abgabe von mehr als 4.977.088,73 EUR festgesetzt wurde.
Der Beklagte wird verpflichtet, Zinsen auf den zu erstattenden Betrag in Höhe von 0,5 % für jeden Monat ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Abgabenbeträge bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit (26. April 2010) festzusetzen.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der gegen sie für das Zuckerwirtschaftsjahr 2002/2003 festgesetzten Produktionsabgaben für Zucker.
Mit Bescheid vom 02. Februar 2010 setzte der Beklagte (HZA) gegen die Klägerin auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 93/2009 (VO Nr. 1193/2009) vom 03. November 2009 (ABl EU Nr. L 321/1) für das Zuckerwirtschaftsjahr 2002/2003 eine sogenannte B-Abgabe in Höhe von 7.616.405,47 EUR (60.393,5 t B-Zucker × 126,113 EUR B-Abgabe/t) fest.
Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, die VO Nr. 1193/2009 sei unwirksam und könne deswegen keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung der angefochtenen B-Abgabe darstellen. Die Festsetzung der B-Abgabe in Höhe von 126,113 EUR/t durch die Kommission widerspreche den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001. Der Abgabensatz stehe insbesondere auch im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (verbundene Rechtssachen C-5/06 und C-23/06 bis C-36/06). Die VO Nr. 1193/2009 könne im Übrigen schon deswegen nicht wirksam sein, weil sie lediglich die Verordnung (EG) Nr. 1762/2003 abändere; die Verordnung (EG) Nr. 1762/2003 sei jedoch vom Europäischen Gerichtshof für nichtig erklärt worden; eine Abänderung dieser Verordnung sei damit logisch ausgeschlossen. Zudem sei die VO Nr. 1193/2009 verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und deswegen ungültig. Schließlich beinhalte die im Jahre 2009 erlassene VO Nr. 1193/2009 bezüglich des Zuckerwirtschaftsjahres 2002/2003 eine rückwirkende Regelung, welche gegen das gemeinschaftsrechtlich anerkannte Rückwirkungsverbot verstoße.
Der Senat hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 24. Juni 2010 ausgesetzt bis zur Erledigung des seinerzeit beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Verfahren C-113/10, in welchem der Gerichtshof darüber zu entscheiden hatte, ob die VO Nr. 1193/2009 gültig ist. Mit Urteil vom 27. September 2012 hat der Gerichtshof in der Sache C-113/10 entschieden, dass die VO Nr. 1193/2009 auch insoweit ungültig ist, als einzelnen ihrer Bestimmungen vom Gerichtshof zuvor noch nicht für nichtig erklärt worden waren. Ferner hat der Gerichtshof in der erwähnten Entscheidung ausgeführt, dass Abgabenpflichtige, die einen Anspruch auf Erstattung von Produktionsabgaben im Zuckersektor hätten, welche auf der Grundlage einer ungültigen Verordnung erhoben worden seien, auch einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf den Erstattungsbetrag hätten.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, nach dem erwähnten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. September 2012 sei eine unverzügliche Sachentscheidung in der vorliegenden Sache geboten. Eine (erneute) Aussetzung des vorliegenden Verfahrens oder eine Anordnung des Ruhens des vorliegenden Verfahrens kämen nicht in Betracht. Die Methoden für die zutreffende Berechnung von Produktionsabgaben auf Zucker seie...