Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug des letzten Glieds eines Umsatzsteuerkarussells. Wissen-Müssen von den betrügerischen Aktivitäten des Karussells
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Unternehmer als letztem Glied in einem Umsatzsteuerkarussell kann der Vorsteuerabzug aus Lieferungen eines Scheinunternehmens „missing trader”) verweigert werden, wenn er wusste oder wissen hätte müssen, dass die Lieferungen des Scheinunternehmens in einen vom Verkäufer begangenen Mehrwertsteuer-Betrug einbezogen waren, oder wenn der Unternehmer nicht alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können und die sicherstellen, dass er nicht in einen Mehrwertsteuer-Betrug einbezogen wird.
2. Die Beweislast für die für den Vorsteuerabzug eines an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligten Unternehmers erforderliche „Gutgläubigkeit” trägt der Unternehmer; das gilt auch für den Negativbeweis, dass er nichts vom Tatplan bzw. der Tatbeteiligung eines Vorlieferanten wissen konnte. Hinweise auf fehlende Gutgläubigkeit können die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verbindungen zwischen den Akteuren liefern. Je näher die Verbindung zu den bei dem Karussell Handelnden ist, desto wahrscheinlicher ist die Kenntnis von der Einbindung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung.
3. Gegen die „Gutgläubigkeit” des Unternehmers und gegen die Erfüllung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs spricht u.a., wenn
- wenn der Geschäftsführer des Scheinunternehmens ausgesagt hat, dass sein „Unternehmen” anders als vom Kläger behauptet nicht über einen eigenen Firmensitz, über ein Lager oder über Personal verfügt hat,
- der Kläger die Geschäfte mit dem Scheinunternehmen in erheblichem Umfang bar (Streitjahr 1996: 12 Mio. DM) abgewickelt hat und diese Barzahlungen von den Tätern des Karussells als sehr „vorteilhaft” erachtet worden sind,
- der Kläger häufigen Kontakt mit den Haupttätern des Umsatzsteuerkarussells hatte und zeitweise zu ihnen gereist ist, als sie sich nach Südamerika abgesetzt hatten,
- das auch gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren nach § 153a der Strafprozessordnung mit Zustimmung des Klägers gegen eine Geldauflage eingestellt worden ist und eine Schuld des Klägers damit feststeht.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 14 Abs. 4; EWGRL 388/77 Art. 17; AO § 370
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Vorsteuerbeträgen.
Nach Steuerfahndungsprüfung und Ermittlungen der Kriminalpolizei verschiedener Dienststellen in ganz Deutschland entdeckten diese einen international agierenden Ring von Händlern, die mit Computerteilen (Prozessoren / CPU) handelten und Umsatzsteuerkarusselle aufgebaut hatten. Im Bereich des innergemeinschaftlichen Handels wurden Umsatzsteuern in Millionenhöhe hinterzogen. Das ausgedachte Modell nutzte das geltende deutsche Umsatzsteuergesetz dahingehend aus, dass eine inländische Firma von einer Firma aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union steuerfrei Computerprozessoren erwarb und diese Teile im Inland unter Einkaufspreis zuzüglich Umsatzsteuer an eine dritte Firma veräußerte, die vereinnahmte Umsatzsteuer jedoch nicht an das zuständige Finanzamt abführte. Durch ein Firmengeflecht unterschiedlicher Firmen wurden teilweise mehrere Firmen hintereinander geschaltet, von denen mehrere die Umsatzsteuern nicht abführten bzw. Vorsteuern geltend machten. Um einer Aufdeckung der Geschäfte zu begegnen, wurden die handelnden Firmen teilweise nur wenige Monate am Markt belassen bzw. sofort wieder liquidiert oder in Insolvenz gebracht. Die erzielten Gewinne wurden sofort aus dem Markt gezogen und teilweise international angelegt. Gegen die handelnden Personen wurden steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die handelnden Personen sind zwischenzeitlich – soweit sie sich nicht durch Flucht ins Ausland einer Verhaftung entzogen haben – rechtskräftig, teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Im Streitjahr 1997 (sowie 1996 und 1998) handelte auch der Kläger mit Computerteilen. Er besaß die Firma A und stand unter anderem in geschäftlichem Verkehr mit den aufgedeckten Firmen und deren handelnden Personen. 1997 ergaben sich u.a. folgende Handelsbeziehungen:
Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung wurde die Firma B am 21. Januar 1997 beim Gewerbeamt der Stadt … angemeldet und hat zum 1. März 1997 ihre Geschäfte aufgenommen. Mit Beginn der Geschäftsaufnahme erledigte der Geschäftsführer (…) zunächst ausschließlich Kurierfahrten für die Firma des Klägers. Ab April 1997 begann die Firma mit dem Handel von CPU. Am 5. August 1997 erfolgte rückwirkend zum 9. Juni 1997 beim Gewerbeamt die Abmeldung der Firma. Als Grund wurde eine Sitzverlegung nach … angegeben.
Die Firma B wurde mit Vertrag vom 7. Juli 1997 gegründet. Am 9. Juli 1997 erfolgte der Abschluss eines Servicevertrages mit der Firma Büroservicecenter „…” in … und gleichzeitig die Anmeldung beim Finanzamt … Di...