Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückgängigmachung einer Betriebsveräußerung nach deren Vollzug
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung kann als tatsächlicher Vorgang nicht rückwirkend beseitigt werden; das gilt auch dann, wenn der Vertrag lediglich pro forma geschlossen worden sein sollte, um den „schädlichen Auswirkungen der öffentlichkeitswirksamem Verurteilung des Klägers” (mehrjährige Freiheitsstrafe) zu begegnen.
2. Überträgt ein sich in Haft befindlicher Fuhrunternehmer in einem eindeutigen, keine Rückfalloptionen enthaltenden Vertrag sein Unternehmen im Ganzen gegen Zahlung eines bestimmten Betrages an seine Ehefrau, die das Unternehmen faktisch fortführt (Firmierung unter ihrem Namen, Erklärung eines Veräußerungsgewinns nach der späteren Liquidation des Unternehmens), steht der Annahme der Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht entgegen, dass sich der Unternehmer fünf Jahre später im Rahmen der erstmaligen Abgabe einer Steuererklärung während des Klageverfahrens auf eine Rückabwicklung des gesamten Vertrages bzw. dessen Nichtvollzug u.a. wegen der Rückübertragung des Betriebsgrundstücks beruft.
3. Die Rückübertragung des in das wirtschaftliche Eigentum der Ehefrau übergegangenen Grundstücks an den Fuhrunternehmer führt nicht zur Rückabwicklung der Unternehmensveräußerung, sondern kann als ersatzweise Begleichung der gegenüber der Ehefrau bestehenden Forderung aus dem Übergabevertrag anzusehen sein.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 6 Abs. 3; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob und in welcher Höhe im Streitjahr 1999 ein Aufgabegewinn zu versteuern ist.
Der Kläger wurde im Mai 1998 in Untersuchungshaft genommen und im November 1998 zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Anfang 2002 wurde er entlassen. Der Kläger betrieb offiziell bis zum 31. Dezember 1998 ein Fuhrunternehmen sowie einen Baggerbetrieb. Nach seinen Angaben war es ausgeschlossen, den Betrieb aus der Haft weiter selbst zu betreiben, Vollzugslockerungen waren nicht zu erwarten und er selbst habe bis zu seiner Haftentlassung keine Möglichkeit gehabt, an betrieblichen Besprechungen teilzunehmen, Verhandlungen zu führen oder die Auftragsausführung im Betrieb oder außerhalb zu überwachen. Die damalige Ehefrau habe sich sodann bereit erklärt, den Betrieb fortzuführen, wenn dieser auf sie übertragen würde. Hierdurch sollten schädliche Auswirkungen der öffentlichkeitswirksamen Verurteilung des Klägers vermieden werden.
Im Rahmen einer Scheidungsfolgevereinbarung vereinbarten die Ehegatten mit notariellen Urkunden vom 20. Januar 1999 und 05. Februar 1999, dass der Betrieb im Ganzen zum 01. Januar 1999 an die damalige Ehefrau des Klägers übergeben wurde. Aus dem Vertrag zur Übergabe der Einzelfirma einschließlich der Übergabe des Betriebsgrundstückes ergab sich ein Ausgleichsanspruch des Klägers in Höhe von 400.000 DM. Darüber hinaus übernahm die Ehefrau alle Aktiva und Passiva des Unternehmens.
Mit Schreiben vom 26. April 1999 wandte sich der damalige Steuerberater und heutige Prozessbevollmächtigte zu 1) des Klägers gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuersondervorauszahlung für das Kalenderjahr 1999. Er führte aus, dass der Kläger mit notariellem Vertrag vom 05. Februar 1999 sowohl sein Einzelunternehmen als auch die GmbH mit allen Aktiva und Passiva an seine Ehefrau übertragen habe und die Übertragung zum 01. Januar 1999 wirksam vollzogen worden sei. Der Beklagte hob daraufhin den Vorauszahlungsbescheid auf.
Am 17. September 1999 erklärte der Steuerberater auf Vordruck A 2 „Abmeldung / Aufgabe eines Unternehmens” die Aufgabe des Unternehmens zum 01. Januar 1999. Der Steuerberater gab an, dass der Betrieb an die ehemalige Ehefrau im Ganzen am 01. Januar 1999 mit einem Veräußerungserlös in Höhe von 400.000 DM veräußert worden sei. Unter der Rubrik „Folgende Wirtschaftsgüter habe ich in mein Privatvermögen überführt” vermerkte er „keine”.
Nachdem der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen durch den Beklagten keine Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1999 abgegeben hatte, schätzte der Beklagte den Veräußerungsgewinn auf 983.880 DM (Veräußerungserlös 400.000 DM abzgl. Buchwert – 583.880 DM, der sich seinerseits aus Aktiva von 763.457 DM und Passiva von 1.347.337 DM errechnete) und setzte mit Einkommensteuerbescheid vom 26. September 2002 unter Berücksichtigung von § 34 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer 1999 auf 406.880 DM fest.
Im hiergegen gerichteten Einspruch vom 10. Oktober 2002, Eingang beim Beklagten am 25. Oktober 2002, gab der Kläger an, dass die ehemalige Ehefrau ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt und keinerlei Kaufpreisraten geleistet habe und daher auch die Übertragung des Einzelunternehmens nicht erfolgt sei. Es sei auch nicht zu Änderungen des Grundbuches gekommen. Die...