Entscheidungsstichwort (Thema)

Mündliche Verhandlung und Sachentscheidung in Abwesenheit des Klägers. Geschäftsführerhaftung. Tilgungsquote. Haftung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Gericht ist an der Durchführung der mündlichen Verhandlung und einer Entscheidung zur Sache in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Klägers nicht gehindert, wenn dieser von dem als Entschuldigung für sein Fernbleiben angeführten Wintereinbruch nicht überrascht worden ist.

2. Der Schaden des Fiskus, für den der Geschäftsführer durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann, besteht in der Differenz zwischen der anteiligen Befriedigung der Forderung der übrigen Gläubiger (Tilgungsquote) und der anteiligen Befriedigung des Finanzamts.

3. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung des Finanzamts, die für die Berechnung der Tilgungsquote benötigten Daten zu liefern, nicht nach, ist eine Schätzung der Quote auf 60 % nicht zu beanstanden, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgelehnt wurde.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 69, 34, 191 Abs. 1, § 162; FGO § 91 Abs. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

Der Kläger war seit der … Errichtung der GmbH (GmbH) im März 1995 deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Der Antrag verschiedener Gläubiger auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens wurde mangels Masse mit rechtskräftigen Beschluss vom 22. Dezember 1997 abgewiesen.

Die GmbH schuldet dem Beklagten Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer sowie zur Körperschaftsteuer, sowie Säumniszuschläge. Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der GmbH blieben erfolglos.

Mit Schreiben vom 9. März 1999 setzte der Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Inanspruchnahme wegen der Steuerschulden der GmbH in Kenntnis. Der gleichzeitigen Bitte um Mitwirkung wegen der Ermittlung des Haftungsbetrags kam der Kläger nicht nach. Der Beklagte nahm den Kläger daraufhin mit Bescheid vom 27. September 2000 für Steuerschulden der GmbH in Höhe von 157.132,48 DM in Haftung. Zur Begründung führte er aus, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur anteiligen Haftung seien nicht anzuwenden. Da der Kläger nicht mitgewirkt habe, müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass ihm seinerzeit ausreichende finanzielle Mittel zur Tilgung der Steuerschulden und der Säumniszuschläge zur Verfügung gestanden hätten.

Im Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei den ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen handele es sich nur um Spekulationen des Beklagten. Er selbst habe keine private Gläubiger befriedigt. Vielmehr würden ihm Privatleute noch Geld schulden. Außerdem handele es sich um Schulden der GmbH, für die er nicht persönlich hafte. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung begrenzte der Beklagte den Haftungszeitraum auf den Tag des Antrags der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und reduzierte den Haftungsbetrag auf 108.514,88 DM. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.

Die hiergegen rechtzeitig erhobene Klage hat der Kläger trotz mehrmaliger Ankündigung – zuletzt mit Schreiben vom 6. September 2004 – nicht begründet. Gegen den am 4. November 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16. November 2004 mündliche Verhandlung beantragt.

Der Kläger hat keine konkreten Anträge gestellt; er begehrt sinngemäß, den Haftungsbescheid vom 27. September 2000 und den Einspruchsbescheid vom 5. Juli 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seinen Einspruchsbescheid.

Für den Kläger ist niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen. Der Kläger hat aber mit Schriftsatz vom 15. Februar 2005 mitgeteilt – eingegangen bei Gericht per Telefax am 15. Februar 2005 um 17.00 Uhr –, dass es ihm in Anbetracht der anhaltenden starken Niederschläge (Neuschnee) in den vergangenen Tagen und den daraus resultierenden schlechten Straßenverhältnissen unmöglich sei, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Der Beklagte hat den angefochtenen Haftungsbescheid in der mündlichen Verhandlung in Höhe von 43.405,95 DM zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht durfte über die Klage entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2005 nicht erschienen war. Da der Kläger ordnungsgemäß geladen war, durfte der Senat die mündliche Verhandlung durchführen und zur Sache entscheiden. Hierauf ist der Kläger in der Ladung hingewiesen worden (§ 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das Ausbleiben des Klägers war auch nicht ausreichend entschuldigt, da der Kläger seinen auf die Witterungsverhältnisse begründetes Ausbleiben bereits am Vortag der mündlichen Verhandlung angekündigt hatte, er mithin von dem Wintereinbruch nicht überrascht wurde. Es war ihm daher zuzumuten, seine Anreise unter Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse, z.B. durch weitgehende Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu planen. Von einem Verkehrschaos am Morgen des 16. Februar 2005 bzw. am...

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