rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung der von Prostituierten in angemieteten Zimmern in einem Bordell erzielten Umsätze beim Bordellbetreiber. Schätzung des Tagesumsatzes einer Prostituierten in einem angemieteten Zimmer in den Jahren 2005 bis 2007 mit 90 Euro bis 110 Euro
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes (ProstG) am 1.1.2002 und der dadurch erfolgten Legalisierung der Prostitution ist weiter unter Würdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen, ob sämtliche Leistungen in einem Bordell, also auch die der unmittelbar handelnden Prostituierten, im Namen und für Rechnung des Bordellbetreibers ausgeführt werden. Dies ist der Fall, wenn der Bordellbetreiber nach außen hin als derjenige auftritt, der die Verschaffung von Geschlechtsverkehr im Rahmen seines Betriebes anbietet, und sich nicht auf eine Vermietungsleistung gegenüber den Prostituierten beschränkt.
2. Die Vermieterin der Zimmer in einem im Rahmen eines Laufhauses unterhaltenen Bordells hat nach außen erkennbar eine Organisation unterhalten, die den gewerbsmäßigen Geschlechtsverkehr der Bewohnerinnen fördern sollte, und ihr sind folglich die von den Prostituierten in den angemieteten Zimmern erzielten Umsatz zuzurechnen, wenn u. a.
- im Gebäude auf drei Etagen achtzehn Zimmer (alle mit Bad/WC) ausgebaut, dem Gewerbe entsprechend möbliert wurden (Doppelbett, Whirlpool) und wenn den Prostituierten in dem Haus eine Gemeinschaftsküche sowie ein Waschsalon zur Verfügung steht,
- die Hausflure durch Kameras überwacht werden,
- die Klägerin durch die Gestaltung und den Abschluss der – milieutypisch ausschließlich mündlich geschlossenen und mit einer Frist von drei Tagen kündbaren – Mietverträge mit den Prostituierten Einfluss auf das Angebot des Bordells nimmt,
- der Betrieb/Eingang täglich von 10 Uhr bis 3 bzw. 4 Uhr für Kundschaft geöffnet ist und sich die Klägerin zu diesen Zeiten immer im Haus befindet, um die Organisation wie z. B. das Auffüllen der Vorräte oder die Wäscheausgabe sicherzustellen und bei Streitigkeiten zwischen den Bewohnerinnen und dem Leistungsempfänger auf Bitten eines Beteiligten die Polizei zu rufen,
- das Bordell einen einheitlichen Namen hat und das Haus außen gut sichtbar an einer Fassade mit diesem Namen beschriftet ist,
- die Klägerin sich auch im Internet als Bordellbetreiber darstellt und für das Bordell wirbt,
- die Prostituierten täglich die Zimmermiete an die Klägerin zahlen müssen.
3. Die Zurechnung der von den Prostituierten erzielten Umsätze beim Bordellbetreiber wird in diesem Fall nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Prostituierten die Einnahmen selbst vereinnahmen und sich im Eingangsbereich des Bordells (und ggf. auf der Homepage) ein Hinweis auf die Selbstständigkeit der Prostituierten befindet.
4. Mit einem geschätzten Umsatz pro vermietetem Zimmer/Prostituierter pro Tag von 90 Euro (Jahr 2005), 95 Euro Jahr 2006) und 110 Euro (Jahr 2007) bleibt das FA eher am unteren Rand des möglichen Schätzungsrahmens.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 22 Abs. 1; AO § 162 Abs. 1, 2 Sätze 1-2; FGO § 96 Abs. 1 Sätze 1-2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist der Umfang des Unternehmens.
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betrieb in den Streitjahren ab 01. August 2005 in gepachteten Räumen das B. Bordell. In dem gleichen Haus befindet sich im Erdgeschoss die C-Bar, die einen anderen Betreiber hat. Verpächter war die Eigentümerin des Gebäudes, die … GbR, deren Geschäftsführerin und Mitgesellschafterin an der Klägerin zu 60 v.H. bzw. ab 01. Juli 2007 zu 55 v.H. beteiligt war. Die … GbR hatte das Gebäude saniert. Dies sollte den Beginn des Aufbaus eines Amüsierviertels mit Bordell, Kneipe, Bar, Kino, Solarium u.a. darstellen. Nach Ausbau der dritten Etage im Jahr 2005 standen in dem Bordell achtzehn Zimmer, je mit Bad/WC, zur Verfügung. Die Klägerin vermietete ihrerseits die Zimmer an Prostituierte, wobei es drei verschiedene Mietvarianten (täglicher Abschluss oder dreitägige Kündigungsfrist) gab. Die Räume waren mit einem Doppelbett, TV, Telefon und teilweise mit einem Whirlpool eingerichtet. Die Hausflure wurden mit Kameras überwacht. Das Entgelt für die Zimmer umfasste Getränke und Verpflegung, die Gestellung von Bettwäsche und Drogerieartikeln und die kostenlose Zurverfügungstellung von Fahrrädern. Ferner gab es in dem Gebäude einen Waschsalon und draußen einen Grillplatz mit Pool, welche von den Prostituierten genutzt werden konnten. Eine Giebelwand des Gebäudes war mit dem Namen des Bordells beschriftet. Das Gebäude war von morgens 10 Uhr bis 3 bzw. 4 Uhr für Kundschaft geöffnet. Für das Bordell wurde eine Homepage eingerichtet, auf der der Betrieb beschrieben wird. Ferner wurden einige Bewohnerinnen mit Bild vorgestellt, teilweise mit Hinweis auf die Durchwahl des Telefons des genutzten Zimmers. Unter der Rubrik „Jobs” wurde für eine Tätigkeit als Prostituierte in den ...