Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rechtsfolgen aus der FAGO gegenüber den Steuerpflichtigen. Zugang eines unter Beifügung des Zusatzes „persönlich” gekennzeichneten Einspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Zugang eines Einspruchsschreibens beim FA ist unerheblich, ob auf dem Einspruchsschreiben ein – zuständiger oder unzuständiger – Bearbeiter oder auch der Vorsteher des FA – ggf. auch unter Beifügung des Zusatzes „persönlich” – als Adressat aufgeführt ist.
2. Die Geschäftsordnung für die Finanzämter regelt die Grundsätze der Organisation bei den Finanzämtern im Anschluss an das Gesetz über die Finanzverwaltung. Rechtsfolgen im Verhältnis zu den Steuerpflichtigen ergeben sich hieraus nicht.
Normenkette
AO § 357 Abs. 2, § 355 Abs. 1; Geschäftsordnung für die Finanzämter (FAGO 2010) 3.1 Abs. 5; FVG
Nachgehend
Tenor
Die Einspruchsentscheidung vom 14. November 2012 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben ist, weil der Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen wurde.
Am 10. September 2012, einem Montag, erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2010. Am Montag, dem 15. Oktober 2012, ging beim Beklagten ein Fax ein, mit welchem der Prozessbevollmächtigte gegen den Bescheid Einspruch eingelegt hat. Das Schreiben ist wie folgt adressiert:
„Persönlich
Herrn Vorsteher W…
Finanzamt S…”
(Anschrift des Finanzamtes)
Entsprechend den Regelungen in der Geschäftsordnung für die Finanzämter
(FAGO 2010) vom 16. November 2010 (BStBl I 2010, 1315) wurde das Schreiben dem bezeichneten Empfänger zugeleitet und erreichte diesen am Folgetag. Der Empfänger vermerkte als Eingangsdatum den 16. Oktober 2012.
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2012 verwarf der Beklagte den Einspruch als unzulässig. Er begründete dies damit, dass nach den Regelungen der FAGO 3.1 Abs. 5 Eingänge mit dem Vermerk „persönlich” dem Empfänger zugeleitet würden und der Eingang in der Behörde davon abhinge, wann dieser das Schreiben in den Geschäftsgang geben würde, denn erst in dem Moment, in dem der Empfänger erkenne, dass es sich um eine dienstliche Sache handele, verließe das Schriftstück „seine private Sphäre”. Dass es hierdurch zu Fristversäumnissen kommen könne, sei dem Prozessbevollmächtigten auch bekannt, da er bereits mehrfach hierauf hingewiesen worden sei. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
Dagegen haben die Kläger am 17. Dezember 2012 Klage erhoben.
Sie meinen, der rechtzeitige Eingang des Schreibens sei unstreitig und das übrige Vorbringen des Beklagten unbeachtlich.
Die Kläger beantragen,
die Einspruchsentscheidung aufzuheben und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint unter Verweis auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung, er habe nicht zugestanden, dass der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist beim ihm eingegangen sei, sondern nur ausgeführt, dass das Fax am 15. Oktober 2012 beim ihm ausgedruckt worden sei. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit einer Email, bei der der Einspruch erst dann zugegangen sei, wenn das Finanzamt die Email öffnen/lesen könne. Durch die hier gewählte Adressierung sei das Schreiben zunächst der persönlichen Sphäre des Vorstehers zuzurechnen; erst nach dem Zugang beim Vorsteher und Übergeben in den Geschäftsgang könne das Finanzamt Kenntnis erlangen. Selbst wenn die Regelungen der FAGO amtsinterne seien, würden diese von der Rspr. durchaus beachtet (Hinweis auf BStBl II 2005, 880). Ein Wiedereinsetzungsantrag sei nicht gestellt und Wiedereinsetzungsgründe in der Frist des § 110 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) nicht vorgebracht worden.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter erklärt, der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Januar 2013.
Dem Gericht haben die Einkommensteuer- und die Rechtsbehelfsakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I. Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung, § 79a Abs. 3 und 4, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
II. Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtene Einspruchsentscheidung wird aufgehoben, denn sie ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die Einspruchsentscheidung vom 14. November 2012 ist aufzuheben, denn es wurde zulässiger Weise ausdrücklich nur die isolierte Aufhebung der ...