Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründetheit des Antrags auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache. § 68 FGO bei Austausch der Einspruchsentscheidung. Zulässigkeit der isolierten Zurücknahme der Einspruchsentscheidung während bereits anhängiger Anfechtungsklage. Anfechtung einer Prüfungsanordnung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit. Örtliche Zuständigkeit für Umsatzsteuer. Zuständigkeitswechsel
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Begehren des Klägers, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, ist unbegründet und mit der Kostenlast zu Lasten des Klägers festzustellen, wenn das ursprüngliche Begehren auf Rücknahme einer Prüfungsanordnung gerichtet ist, das FA aber mit seinem Bescheid nicht diese, sondern lediglich die zu dieser Prüfungsanordnung ergangene Einspruchsentscheidung zurücknimmt und die Annahme der Rücknahme der ursprünglichen Prüfungsanordnung keine Stütze im Wortlaut des Rücknahmeschreibens findet.
2. Für das Eingreifen von § 68 FGO ist nicht danach zu unterscheiden, ob das FA den angefochtenen Verwaltungsakt selbst ersetzt oder lediglich die Einspruchentscheidung.
3. Das FA kann bei bereits anhängiger Anfechtungsklage lediglich die Einspruchsentscheidung isoliert von dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt zurücknehmen und unter Wahrung eines zeitlichen Zusammenhangs durch eine erneute Einspruchentscheidung ersetzen.
4. Für die Umsatzsteuer ist gem. § 21 Abs. 1 S. 1 AO das FA örtlich zuständig, von wo aus der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit betreibt. Das ist der Ort an dem der Plan, auf dem die Tätigkeit beruht, zur Ausführung gelangt, d.h. die Tätigkeit angeboten wird, Aufträge und Zahlungen entgegengenommen und die Ausführungen vorbereitet werden. Dieser Ort kann, muss aber nicht mit dem Ort der Geschäftsleitung i. S. d. § 10 AO zusammenfallen. Der Unternehmenssitz gem. § 11 AO ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für die Umsatzsteuer unerheblich.
5. Eine Aktenübernahme ist für die Frage eines Zuständigkeitswechsels des FA unerheblich. Der Wechsel der Zuständigkeit eines FA gem. § 26 AO tritt nicht ein, wenn das FA die Tatbestandsvoraussetzungen der die Zuständigkeit festlegenden Norm nicht prüft und damit keine Überlegungen zu den für einen Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Umständen tätigt.
Normenkette
FGO §§ 138, 68; AO § 21 Abs. 1 S. 1, § 26 S. 1, §§ 10-11, 195 Abs. 2, § 193 Abs. 1; BpO § 4 Abs. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Soweit die Entstehung der Kosten des Verfahrens auf den ursprünglichen Verfahren 3 K 80/10 und 3 K 81/10 beruht, die mit dem Verfahren 3 K 1216/09 verbunden worden sind, hat der Beklagte die Kosten zu tragen; im Übrigen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des gegen ihn zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung bzw. darüber, ob diese Prüfungsanordnung durch den Beklagten inzwischen zurückgenommen worden ist und der Rechtsstreit sich damit erledigt hat.
Die Klägerin wurde im Jahr 1990 unter der Firma I. GmbH mit dem Sitz in M. gegründet. Der Gegenstand des Unternehmens beinhaltet laut Handelsregistereintragung seither unverändert folgende Bereiche: Handel mit Industrieerzeugnissen und landwirtschaftlichen Produkten. Die Gesellschaft tritt als Mittler bei Bartergeschäften auf und übernimmt den Ex- und Import für oben genannte Waren. Die Gesellschaft führt Beratungen, Projektierungen, Montagen, Wartung und Reparaturen auf dem Gebiet der Energieerzeugung, der Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik durch. Die Gesellschaft arbeitet auf dem Gebiet der Nutzung von umweltfreundlichen alternativen Energien und erstellt Energiekonzepte und Energiesparprogramme. Die Gesellschaft kann sich an anderen Gesellschaften beteiligen, um die oben genannten Gesellschaftsziele zu erreichen.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 13. Dezember 2002 wurde die Firma in L. D. GmbH geändert.
Die Gesellschaft ist bis heute im Handelsregister B des Amtsgerichts S.l unter der Nummer HRB … eingetragen; als Sitz ist nach wie vor M. eingetragen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte dem Finanzamt M. I mit Schreiben vom 19. März 2008 mit, dass anlässlich einer „Geschäftsführerzusammenkunft” am 5. März 2008 entschieden worden sei, den Sitz der Geschäftsleitung nach H. zu verlegen. Der Sitz befinde sich ab dem 17. März 2008 in H., …weg … Das Finanzamt wies mit Schreiben vom 10. November 2008 darauf hin, dass die Sitzverlegung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden müsse und bat um die Übersendung des entsprechenden Beschlusses.
Den vom Beklagten vorgelegten Akten ist zu entnehmen, dass sich das Finanzamt M. I um eine „Aktenabgabe” an das Finanzamt H. bemühte. Dieses erklärte sich schließlich zur Übernahme bereit und teilte mit Schreiben ...