Entscheidungsstichwort (Thema)
Ohne Vorlage des Original-Briefumschlags auch bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters keine Widerlegung der Drei-Tage-Bekanntgabe-Fiktion durch Vorlage des Postausgangsbuchs und eidesstattliche Versicherung der Büroleiterin
Leitsatz (redaktionell)
Wurde eine entsprechend einer finanzamtlichen Amtsverfügung einen Tag auf Freitag vordatierte Einspruchsentscheidung ausweislich der Verfügung der Sachbearbeiterin am Donnerstag per einfachen Brief zur Post gegeben, so ist auch bei Beauftragung eines privaten Zustelldienstes von einer Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO am nächsten Montag auszugehen. Wurde der Original-Briefumschlag nicht aufbewahrt, kann die gesetzliche Bekanntgabefiktion weder dadurch entkräftet werden, dass die Originaleinspruchsentscheidung den Eingangsstempel des Bevollmächtigten mit dem Datum des folgenden Dienstags trägt, noch durch die Vorlage des Posteingangsbuchs noch durch die eidesstattliche Versicherung der Büroleiterin des Bevollmächtigten, wonach in der Kanzlei die Post immer am Tag des Eingangs gesichtet, im Posteingangsbuch erfasst und jedes eingegangene Dokument mit einem Eingangsstempel versehen werde.
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1; AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Streitig sind die Zulässigkeit der Klage und im Übrigen Ergebnisse einer Betriebsprüfung.
Der Kläger betrieb bis 31. Dezember 2006 Schankwirtschaften, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte. Ab 2007 erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Hausverwalter/Betreuer der B.GmbH. Den Gewinn daraus hatte der Kläger einzig aus den erzielten Betriebseinnahmen ermittelt.
In 2009 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung bezüglich Einkommen-, Umsatz-, und Gewerbesteuer 2005-2007 durch.
Mit Bescheiden vom 2. Februar 2010 erließ der Beklagte daraufhin Änderungsbescheide, die der Kläger mit Einspruch vom 2. März 2010 angriff.
Nach Zurückweisung seiner Einsprüche hat der Kläger per Tele-Fax am 7. Oktober 2010 Klage erhoben und gleichzeitig auf den Zugang der Einspruchsentscheidung am 7. September 2010 hingewiesen.
Mit gerichtlicher Eingangsverfügung wurde der Kläger aufgefordert, zur Rechtzeitigkeit der Klage Stellung zu nehmen, woraufhin er als Nachweis des Zugangs einen Auszug aus dem Posteingangsbuch seines Prozessbevollmächtigten vom 7. September 2010 übersandte. Der Briefumschlag sei nicht archiviert worden. Außerdem legte er die Einspruchsentscheidung im Original vor, auf der sich der Stempel „EINGEGANGEN 07.SEP 2010” befand. Die Büroleiterin des Prozessbevollmächtigten versicherte mit schriftlicher Erklärung vom 24. Februar 2011 an Eides statt, dass in der Kanzlei die Post am Tag des Eingangs gesichtet und im Posteingangsbuch erfasst werde. Jedes eingegangene Dokument werde mit einem Eingangsstempel versehen.
Des Weiteren äußerte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Zweifel, ob die Drei-Tages-Fiktion noch aufrecht erhalten werden könne, wenn sich die Beklagte, wie hier geschehen, eines freien Briefdienstes bediene. An der Zuverlässigkeit der freien Briefdienste, wie auch der ehemaligen Behörde Deutsche Post AG seien erhebliche Zweifel angebracht.
Für Manipulationsvorwürfe bestünde kein Raum, da der Eingangsstempel irreversibel angebracht sei und nicht verändert werden könne. Auf die Angaben im Posteingangsbuch komme es überhaupt nicht an. Trotzdem stütze das Posteingangsbuch die Angaben des Klägers, weil die Daten identisch seien mit den Angaben aus dem Bescheid, der mit dem auf ihm angebrachten Eingangsstempel eine zusammengesetzte Urkunde darstelle.
Unter diesen Umständen habe der Kläger hinreichend Tatsachen glaubhaft gemacht, die die (überholte) generelle Annahme des Gesetzgebers, ein amtliches Dokument gehe stets innerhalb von drei Tagen zu, erschüttern würden.
Materiell-rechtlich wendet sich der Kläger gegen die Gewinnerhöhungen nach Betriebsprüfung.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Einkommensteuerbescheide 2005-2007, die Umsatzsteuerbescheide 2005-2006, die Gewerbesteuermessbescheide 2005-2006, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2006, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages auf den 31.12.2005, den 31.12.2006 und den 31.12.2007 jeweils vom 2. Februar 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 7. September 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht des Beklagten ist die Klage am 7. Oktober 2010 verspätet bei Gericht eingegangen. Die angefochtene Einspruchsentscheidung sei am 2. September 2010 (Donnerstag) gefertigt worden. Da die Bearbeiterin diese vor 14:30 Uhr in den Postausgang gegeben habe, habe sie das Schriftstück gemäß der Amtsverfügung Nr. 11/2003 Ziff. 2 vom 22. Oktober 2003 auf den nächsten Tag datiert (3. September 2010, Freitag). Der Beklagte sieht keine hinreichenden Zweifel an der Drei-Tages-Fiktion geweckt, da der Prozes...