Entscheidungsstichwort (Thema)
Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG bei Ausschüttungsfällen aus dem steuerlichen Einlagenkonto nach § 17 Abs. 4 Satz 1 3. Alternative EStG nicht anwendbar
Leitsatz (redaktionell)
Für Ausschüttungen von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 17 Abs. 4 Satz 1, 3. Alternative EStG ist der Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG nicht zu gewähren. § 17 Abs. 3 Satz 1 EStG ist dahingehend auszulegen, dass die Freibetragsgewährung nur bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zur Anwendung kommt.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1, 3 S. 1, Abs. 4 S. 1; KStG § 27 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen 2015 und 2016 um die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 17 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung.
Die Klägerin ist ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Z vom 28. Juni 2019 die Alleinerbin des am 09. Juni 2019 verstorbenen B.
Der Verstorbene war an der C GmbH (C GmbH) beteiligt. Ausweislich einer Steuerbescheinigung der C GmbH wurden laut Beschluss vom 23. Dezember 2015 für das Jahr 2014 am 31. Dezember 2015 an den Verstorbenen Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 Abs. 1 – 7 Körperschaftsteuergesetz – KStG) in Höhe von 32.959,40 EUR erbracht. In der Erläuterung zur Anlage G der Einkommensteuererklärung 2015 vertrat der Verstorbene die Ansicht, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns in Höhe von 19.775,64 nach § 17 Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens ein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG in Höhe von 7.106,66 EUR (78,44 % × 9.060 EUR) in Abzug gebracht werden müsse und sich demnach Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12.668,98 EUR ergeben würden.
Ein gleichlautender Sachverhalt ergab sich bei der Einkommensteuererklärung 2016. Nach der Steuerbescheinigung der C GmbH wurden laut Beschluss vom 23. Dezember 2016 für das Jahr 2015 am 31. Dezember 2016 an den Verstorbenen Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 Abs. 1 – 7 KStG) in Höhe von 32.959,40 EUR erbracht und war der Verstorbene erneut der Auffassung, dass auf den Veräußerungsgewinn i.H.v. 19.775,64 EUR ein Freibetrag i.H.v. 7.106,66 EUR zu gewähren sei.
Im – jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden – Einkommensteuerbescheid 2015 vom 28. August 2017 und im Einkommensteuerbescheid 2016 vom 10. September 2018 berücksichtigte der Beklagte den Freibetrag nicht und setzte einen Veräußerungsgewinn in Höhe von jeweils 19.775 EUR an.
Hiergegen richteten sich die Einsprüche vom 08. September 2017 (2015) und 13. September 2018 (2016) jeweils mit Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung. Der Verstorbene war der Ansicht, dass nach dem Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 3 EStG ein Freibetrag in Höhe von jeweils 7.107 EUR zu gewähren sei. Unter Bezugnahme auf ein beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt anhängiges Verfahren 1 K 320/16 und einen Änderungsantrag beim Finanzamt in Y sowie auf ruhende Einspruchsverfahren mit gleichen Sachverhalten für die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2014 beantragte der Verstorbene das Ruhen der Einspruchsverfahren.
Mit Bescheiden vom 26. September 2017 und 19. September 2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2015, Zinsen und Solidaritätszuschlag in Höhe von 3.168,37 EUR und die Einkommensteuer 2016, Zinsen und Solidaritätszuschlag in Höhe von 6.148,61 EUR aus. Ein Ruhen der Einspruchsverfahren ordnete der Beklagte dagegen nicht an.
In der Folgezeit versuchte der Beklagte sowohl über den damaligen Bevollmächtigten, über das Finanzamt in Y sowie bei der Klägerin Informationen zum steuerlichen Einlagekonto der C GmbH und dem Anteil des Verstorbenen zu erhalten. Dabei wies er auf Unklarheiten des steuerlichen Einlagekontos hin und bat um Aufklärung bzw. um Korrektur der Steuerbescheinigungen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass eine Steuerfreiheit hinsichtlich der Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto erfolgen könne, soweit ein steuerliches Einlagenkonto vorhanden sei. Ansonsten würden diese Ausschüttungen dem Teileinkünfteverfahren unterliegen und werde ein Freibetrag nach § 17 Abs. 3 EStG nicht gewährt, da keine Anteile an der C GmbH veräußert worden seien. Aufgrund der vorliegenden Bilanzen der C GmbH bestünden Zweifel an den vorliegenden Steuerbescheinigungen und könne es sich auch um jährliche Ausschüttungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handeln. Der Beklagte wies auf die Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) hin.
Nachdem weiter kein Eingang zu verzeichnen war, setzte der Beklagte mit Schreiben vom 16. September 2020 der damaligen Bevollmächtigten eine Frist nach § 364 b Abs. 1 Nr. 3 AO zum 21. Oktober 2020 zur Vorlage der angeforderten Unterlagen und Beweismittel zur Einspruchsbearbeitung, insbesondere hinsichtlich der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos des Verstorbenen. Auf die Folge...