Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrauensschutz bei länger unterlassener Steuerfestsetzung. Aussetzung der Vollziehung betr. Umsatzsteuer 1995 bis 1999

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass jahrelange Untätigkeit des Finanzamts keinen Vertrauensschutz dahingehend begründet, dass eine Nachholung unterlassener Steuerfestsetzungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr zulässig sei.

 

Normenkette

BGB § 242; GG Art. 20 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Die Entscheidung ergeht unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller erzielte in den Streitjahren 1995 bis 1999 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Vorsteher eines Rechtsanwaltsbüros. Außerdem war er, wie schon in den Vorjahren, als Zwangsverwalter tätig. Die Einkünfte hieraus erklärte der Antragsteller jeweils als solche aus selbständiger Arbeit. Umsatzsteuererklärungen wurden nicht eingereicht.

Nach Einreichen der Einkommensteuererklärung für 1998 wandte sich der Antragsgegner mit Schreiben vom 6. November 2000 an den Antragsteller und forderte diesen zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre auf. Die Angaben in den daraufhin am 1. Februar 2001 eingereichten Steuererklärungen übernahm der Antragsgegner in den entsprechenden Bescheiden zur Umsatzsteuer vom 20. Juli (betr. 1995, 1996, 1997, 1999) bzw. 23. Juli 2001 (betr. 1998).

Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller am 1. August 2001 Einsprüche ein (Rbh, Bl. 1), über die der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Einen mit Einlegung der Einsprüche gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. August 2001 zurück (Rbh, Bl. 7).

Am 24. August 2001 wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht.

Er beantragt sinngemäß (Bl. 1 f.),

die Umsatzsteuerbescheide vom 20. bzw. 23. Juli 2001 von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsteller ist der Auffassung, eine Festsetzung der Umsatzsteuer sei wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht zulässig. Er weist darauf hin, dass der Antragsgegner von seiner Tätigkeit als Zwangsverwalter, nicht zuletzt auch aus einem Verfahren, an dem der Antragsgegner beteiligt gewesen sei, seit langem bekannt gewusst habe. Gleichwohl habe der Antragsgegner die erklärten Umsätze nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Ihm, dem Antragsteller, als steuerlichem Laien sei die Unterlassung des Antragsgegners nicht anzulasten. Eine Nachberechnung sei im Übrigen nicht möglich. Die Festsetzungen der Amtsgerichte seien wirksam und rechtskräftig.

Der Ag. beantragt,

den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

Er verweist auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, der es dem Finanzamt erlaube, von einer in einem früheren Veranlagungszeitraum praktizierten unrichtigen Handhabung in einem der folgenden Zeiträume abzuweichen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei im Streitfall nicht gegeben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochten Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 1999 ist zulässig (§ 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–), aber nicht begründet.

1. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, der sich der erkennende Senat bisher immer angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d. h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH – Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).

Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Der Steuerpflichtige muss substantiiert darlegen, dass diese Voraussetzungen in seinem Fall erfüllt sind. Derartiges ist im Streitfall nicht geschehen.

2. Nach Auffas...

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