Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilprozesskosten wegen Herabsetzung des nachehelichen Ehegatten- und Kindesunterhalts als außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Zusammenhang mit einem Zivilprozess wegen Herabsetzung des nachehelichen Ehegatten- und Kindesunterhalts angefallene Gerichts- und Rechtsanwaltskosten (hier: Abschluss durch Vergleich im Jahr 2010) sind zwangsläufig entstanden und somit als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.
2. Zumindest Kosten für solche Zivilprozesse sind zwangsläufig i. S. d. § 33 EStG, die in der Sache mit der Sicherung bzw. dem Erhalt des Lebensunterhalts in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Dies dürfte in vielen Fällen von Zivilprozessen nicht der Fall sein (z. B. bei Nachbarschaftsstreitigkeiten), so dass es auch nicht sachgerecht erscheint, den Steuerpflichtigen durch Beteiligung des Steuerzahlers an diesen Kosten zu entlasten.
3. Bei sog. „Dauersachverhalten”, also solchen, denen eine dauernde Zahlung zugrunde liegt (z. B. Miete, Einkommen, Unterhalt), die sich unmittelbar auf die zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Mittel auswirken, dürften Prozesskosten hingegen dem Grunde nach regelmäßig zwangsläufig sein.
Normenkette
EStG 2009 § 33 Abs. 1, § 2 S. 1
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2010 vom … 2013 wird die Einkommensteuer 2010 unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Form von Prozesskosten i.H. von 7.840 EUR festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuer nach dieser Maßgabe neu zu berechnen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob vom Kläger im Streitjahr gezahlte Gerichts- und Anwaltskosten für einen Zivilprozess und den dort geschlossenen Vergleich als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensteuer zu berücksichtigen sind.
Die verheirateten Kläger werden beim Beklagten zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 machten sie außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.112 EUR geltend, von denen 160 EUR auf Krankheitskosten entfallen. Die übrigen Aufwendungen entfielen nach ihrer Darstellung auf Zivilprozesskosten. Dem lag im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger und seine damalige Ehefrau, von der er seit vielen Jahren geschieden ist, hatten seinerzeit in einer notariellen Urkunde eine Unterhaltsvereinbarung getroffen. Am … 2009 beantragte der Kläger beim Amtsgericht … die Herabsetzung seiner Zahlungsverpflichtung aus dieser Vereinbarung (Ehegattenunterhalt für seine damalige Ehefrau und Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder – Bl. 61 ff.). Die geschiedene Ehefrau hatte das Begehren des Klägers zuvor außergerichtlich abgelehnt. Der Kläger beantragte unter anderem auch die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dieser notariellen Unterhaltsvereinbarung.
In der Sitzung vom … 2010 vor dem Amtsgericht … schlossen der Kläger und seine geschiedene Ehefrau einen Vergleich zur Regelung des nachehelichen Ehegattenunterhalts und des Kinderunterhalts. In diese Vergleichslösung wurde auch die Regelung aufgenommen, dass dem Kläger gegen seine geschiedene Ehefrau kein Zahlungsanspruch aus der Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung einer gemeinsamen Immobilie (50.000 EUR) zustehe und im Gegenzug die geschiedene Ehefrau keinen nachehelichen Ehegattenunterhalt mehr fordern konnte.
Nach dem Beschluss des AG … vom … 2010 (Bl. 16 ff.) waren die Kosten des Verfahrens zu 2/3 vom Kläger und zu 1/3 von seiner geschiedenen Ehefrau zu tragen. Die vom Kläger an die geschiedene Ehefrau zu zahlenden Kosten wurden hiernach auf 1.316,50 EUR festgesetzt (Bl. 16). Dem Kläger selbst entstanden eigene Gerichtskosten in Höhe von 234,33 EUR (Bl. 10) und eigene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.256,83 EUR (Bl. 19 ff.). Ferner zahlte der Kläger an seine geschiedene Ehefrau aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss Zinsen in Höhe von 28,38 EUR (Bl. 13). Insgesamt ergaben sich in diesem Zusammenhang Kosten i.H.v. gerundet 7.840 EUR.
Im Einkommensteuerbescheid vom … 2012 berücksichtigte der Beklagte lediglich die Krankheitskosten in Höhe von 160 EUR als außergewöhnliche Belastungen, die sich aufgrund der gesetzlichen zumutbaren Belastung steuerlich jedoch nicht auswirkten (Bl. 21 f.). In den Erläuterungen zum Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass die Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten; dies sei nur möglich, wenn der Steuerpflichtige ohne einen Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom … 2013 als unbegründet zurück (Bl. 4 ff.).
Am 20. Febru...