Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung geschätzter Umsatzsteuerbescheide eines Steuerberaters bei nachgereichten Steuererklärungen. Berücksichtigung zusätzlicher Vorsteuern. Entstehung der Umsatzsteuer. Umsatzsteuer 1993 bis 1995
Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich aus den nachgereichten Steuererklärungen eines Steuerberaters ein höherer Jahresumsatz, als in den bestandskräftigen Schätzungsbescheiden berücksichtigt wurde, so sind die höheren tatsächlichen Umsätze gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als neue Tatsache zu berücksichtigen.
2. Zusätzliche Vorsteuern können wegen groben Verschuldens im Änderungsbescheid nur anteilig gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO im Verhältnis der nachträglich bekanntgewordenen zu den geschätzten Umsätzen berücksichtigt werden.
3. Für die Entstehung der Umsatzsteuer ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten der Zeitpunkt der Ausführung der Leistung entscheidend. Auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung gegenüber dem Leistungsempfänger kommt es nicht an.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nrn. 1, 2 S. 2; UStG 1993 § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist als Steuerberater selbständig tätig. Nachdem er für die Jahre 1993 bis 1995 keine Steuererklärungen eingereicht hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abgabenordnung – AO – (1993: Umsatz 484.807,– DM; Vorsteuer: 37.241,– DM; 1994: Umsatz 553.808,– DM; Vorsteuer: 36.595,– DM; 1995: Umsatz 786.694,– DM; Vorsteuer: 51.930,– DM) und setzte die Umsatzsteuer für diese Jahre durch endgültige Bescheide vom 5. August 1997 dementsprechend fest.
Nach Eintritt der Bestandskraft dieser Umsatzsteuerbescheide wurde dem Beklagten durch die Gewinnermittlungen für 1993 bis 1995, die der Kläger im Zuge der Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide für diese Jahre einreichte (Bilanzheft; Bl. 5 Rb), sowie durch die Umsatzsteuererklärungen 1993 bis 1995 (Bl. 47–55 FG) bekannt, dass die tatsächlichen Umsätze und Vorsteuerbeträge von den geschätzten Beträge abwichen, so dass die festgesetzte Umsatzsteuer 1993 bis 1995 zu niedrig festgesetzt worden war.
Daraufhin erließ der Beklagte nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide
- • am 16. Dezember 1997 für 1993 und 1994 (1993: Umsatz: 669.490,– DM; Vorsteuer: 51.427,– DM; 1994: Umsatz: 784.104,– DM; Vorsteuer: 51.812,– DM) sowie
- • am 22. Dezember 1997 für 1995 (Umsatz: 873.900,– DM; Vorsteuer: 57.686,– DM).
Dabei behandelte der Beklagte die in den Gewinnermittlungen 1993 und 1994 enthaltenen steuerpflichtigen Nettoeinnahmen als Bruttobeträge und unterwarf nur die daraus errechneten Nettobeträge der Umsatzsteuer für 1993 und 1994 (jeweils Bl. 6 USt 93 u. 94). Für 1995 übernahm er die Umsätze laut Erklärung (Bl. 11 Rs., 15 USt 95). Die erklärten Vorsteuerbeträge wurden für alle Jahre nur „im Rahmen des § 173 AO” berücksichtigt (jeweils Bl. 6 USt 93 u. 94, 13 USt 95).
Gegen die vorgenannten Änderungsbescheide erhob der Kläger fristgerecht Einspruch und beantragte die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre nach Maßgabe der erklärten Jahresumsätze unter Berücksichtigung der gesamten geltend gemachten Vorsteuerbeträge (Bl. 2–4 Rb).
Nach Anhörung des Klägers (Bl. 11 Rb) hat der Beklagte die Einsprüche gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide durch am gleichen Tag zur Post gegebene Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1999 mittels verbösernder Steuerfestsetzung für 1993 und 1994 bzw. Abweisung (1995) beschieden. Dabei hat er für 1993 und 1994 die in der jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnung – GuV – erklärten Umsatzerlöse (ohne Eigenverbrauch) und den Gesamtbetrag der als Umsatzsteuerverbindlichkeit kontierten abziehbaren Vorsteuer berücksichtigt (Bl. 17 FG, Bilanzheft 93 u. 94). Für 1995 verblieb er bei der Schätzung der Vorsteuerbeträge im angefochtenen Änderungsbescheid, wonach die vom Kläger erklärten Vorsteuern in Anwendung der Änderungsvorschrift des § 173 AO nicht abzugsfähige Beträge in Höhe von 1.548,30 DM enthielten (Bl. 17).
Mit seiner am 20. August 1999 erhobenen Klage beantragt der Kläger (sinngemäß (Bl. 21),
unter Änderung der geänderten Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 vom 16. Dezember 1997 sowie für 1995, sämtlich in Form der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1999, die Umsatzsteuer für 1993 und 1994 ausgehend von den erklärten Umsätzen in Höhe von 699.914 bzw. 830.164 DM und die Umsatzsteuer für 1995 unter Berücksichtigung der erklärten Vorsteuerbeträge in Höhe von 59.234,30 DM festzusetzen.
Zur Begründung trägt er vor:
Umsatzsteuer 1993 und 1994:
Zwar habe der Beklagte die Umsätze für diese Jahre nach der in den GuV angegebenen Höhe der Besteuerung zugrunde gelegt (Bl. 35). Dabei habe er jedoch übersehen, dass in diesen beiden Streitjahren 70.000 bzw. 40.000 DM noch nicht steuerbar seien, weil es sich insoweit um nicht abgerechnete Leistungen handele, die deshalb in den Bilanzen für diese Jahre – jeweils Aktivaseite, Konto 1410 – ...