Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prüfpflicht des Finanzgerichts hinsichtlich Unterhaltsvereinbarungen geschiedener Eheleute
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten entsprechend dem sog. Obhutsprinzip demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Im sog. Weiterleitungsverfahren ist es dabei nicht Aufgabe der Familienkasse (und damit auch der Finanzgerichte), Unterhaltsvereinbarungen bzw. -zahlungen unter verschiedenen Kindergeldberechtigten (Ehegatten) zu berücksichtigen, zu überprüfen und zivilrechtlich zu beurteilen. Bei Wechsel der Anspruchsberechtigung ist es vielmehr Sache der Kindergeldberechtigten, ihre privatrechtlichen Vereinbarungen interessengerecht zu regeln.
Normenkette
EStG § 64
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger streitet mit der Beklagten um die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsanspruchs bezüglich einer Kindergeldforderung.
Der Kläger ist Vater der am 21. September 1976 geborenen Tochter M. Bei M liegt eine Schwerbehinderung vor (KiG, Bl. 55), weshalb die Beklagte auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres Kindergeld zahlt. M lebt im Haushalt ihrer Mutter, deren Ehe mit dem Kläger am 1. Oktober 1991 rechtskräftig geschieden wurde (KiG, Bl. 85, 91 ff.). Nach der Ehescheidung zog der Kläger aus der gemeinsamen Wohnung aus. M wohnte weiterhin dort. Die Beklagte zahlte auch danach das Kindergeld an den Kläger.
Nachdem die Beklagte mittels einer Meldebescheinigung im Jahre 2005 in Erfahrung gebracht hatte, dass M im Haushalt der Mutter und nicht in dem des Klägers lebte, hob sie mit Bescheid vom 13. März 2006 die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger auf und forderte von diesem das Kindergeld für den Zeitraum Januar 1996 bis Juli 2005 i.H. von 15.395,68 Euro zurück (KiG, Bl. 94).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 13. April 2006 Einspruch ein (KiG, Bl. 109). Den Einspruch wies die Beklagte am 24. April 2006 als unbegründet zurück (KiG, Bl. 122).
Am 26. Mai 2006 erhob der Kläger Klage (Bl. 1).
Er beantragt sinngemäß (Bl. 1),
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 13. März 2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2006 aufzuheben.
Der Kläger macht geltend, im Rahmen eines Scheidungsvergleichs seiner Ehefrau monatliche Zahlungen i.H. von 1.050 DM geleistet zu haben. Diese Zahlungen dienten nicht zuletzt im Interesse von M dem Erhalt des vormals gemeinsamen Haushalts. Hierin sei quasi auch ein Zufluss von Kindergeld an seine geschiedene Ehefrau zu sehen.
Eine Rückforderung scheide auch aus, weil diese Zahlweise einvernehmlich zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau erfolgt sei. Zudem sei der Kindergeldkasse kein Schaden entstanden, weil diese ja ohnehin habe Kindergeld zahlen müssen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Einspruchsentscheidung.
Auf die Aufforderung des vormaligen Berichterstatters gegenüber der Mutter von M hat diese die Abgabe einer Weiterleitungserklärung verweigert (Bl. 71).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger ist zur Rückzahlung des Kindergeldes verpflichtet. Der streitige Bescheid ist rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlagen
Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten entsprechend dem sog. Obhutsprinzip demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Eltern trennen und das Kind anschließend nur bei einem Berechtigten im Haushalt lebt (vgl. BFH vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BStBl II 1999, 231). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt darin nicht (vgl. BFH vom 10. November 1998 VI B 125/98, BStBl II 1999, 137).
2. Anwendung im Streitfall
Im Streitfall haben sich die für die Zahlung des Kindergeldes erheblichen Verhältnisse dadurch geändert, dass der Kläger nach Scheidung seiner Ehe im Jahr 1991 M nicht mehr in seinen Haushalt aufgenommen hatte. Ab diesem Zeitpunkt stand das Kindergeld daher nicht mehr dem Kläger, sondern der Mutter von M zu. Die bisherige Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Klägers war demgemäß vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an – hier jedoch lediglich im Rahmen der Festsetzungsverjährung – aufzuheben (§ 70 Abs. 2 EStG). Einen Entscheidungsspielraum besitzt die Verwaltung insoweit nicht (BFH vom 10. November 1998 VI B 125/98, BStBl II 1999, 231; BFH vom 14. Mai 2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425).
Aufgrund der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 war der Kläger daher gemäß § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn seit diesem Zeitpunkt gezahlte Kindergeld von insgesamt 15.395,68 Euro zu erstatten. Denn ist eine Steuervergütung, zu der das Kindergeld gemäß § 31 Satz 3 EStG zählt, ohne rechtlichen Grund gezahlt, so...