Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Auflösungsverlustes einer GmbH in Liquidation
Leitsatz (redaktionell)
1. Findet nach der Auflösung einer GmbH die Liquidation statt, so ist aufgrund des Realisationsprinzips der Auflösungsgewinn oder -verlust normalerweise auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der GmbH zu ermitteln.
2. Ausnahmsweise kann der Veräußerungsverlust jedoch schon vor Abschluss der Liquidation realisiert sein, wenn die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen der GmbH an die Gesellschafter ausgeschlossen werden kann, weil offenkundig ist, dass die Gesellschafter ihre Aufwendungen zum Erwerb ihrer Beteiligung nicht zurückerhalten werden und ihre Rückgriffsforderungen gegen die Gesellschaft aus einer krisenbestimmten Darlehenshingabe und/oder Bürgschaftsinanspruchnahme zu Gunsten der GmbH wertlos geworden sind.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 2; EStG § 17 Abschn. 4
Tatbestand
Der Kläger war bis zum 31. März 1993 Geschäftsführer der Z. N. GmbH und bezog für das restliche Jahr 1993 Arbeitslosengeld (Bl. 7, 11 Rs., 38, 40 ESt 93). Zugleich war er Gesellschafter der Fa. I-GmbH in H-S, an deren Stammkapital von 500.000 DM er zur Hälfte beteiligt war (Bl. 22 FG; 18 Bp). Dieser Gesellschaft hatte der Kläger 1990 ein krisenbestimmtes Darlehen in Höhe von 220.216 DM gewährt (Bl. 22 FG; 5, 13, 18 Bp). Darlehen und Stammkapital des Klägers wurden durch eine ebenfalls 1990 auf den Grundbesitz der I-GmbH zu Gunsten des Klägers eingetragene Grundschuld über 650.000 DM gesichert, die nachrangig hinter Grundschulden in Höhe von weiteren 650.000 DM zu Gunsten der Bank N. stand (Bl. 23, 26; 44 Konkursakten – KoA –). Des Weiteren hatte der Kläger für die I-GmbH zu Gunsten der Bank Bürgschaften, die zum Teil durch Festgelder unterlegt waren, in Höhe von insgesamt 210.750 DM übernommen (Bl. 51 KoA).
Am 13. Oktober 1993 stellt die I-GmbH beim Amtsgericht – AG – O wegen Überschuldung Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, das nach kurzfristiger Anordnung einer Sequestration durch Beschluss des AG vom 8. Dezember 1993 8 N 33/93 an diesem Tag eröffnet wurde (Bl. 1 f., 37, 60 KoA). Die Eröffnung des Konkursverfahrens hatte der eingesetzte Sequester und spätere Konkursverwalter dem AG mit Schreiben vom 1. Dezember 1993 empfohlen (Bl. 42 ff. KoA). Hierbei ging er bei Gesamtverbindlichkeiten der I-GmbH in Höhe von 1.103.406,28 DM – darunter im Betrage von 1.045.973,64 DM allein gegenüber der Bank – von einem erzielbaren positiven Ertrag des Konkursverfahrens in Höhe von 1.192.950 DM aus, in welchen Betrag die übernommenen Gesellschafterbürgschaften mit einbezogen waren (Bl. 51 f. KoA). Den Wert des belasteten Grundbesitzes der Gesellschaft setzte er dabei abweichend von einem höheren Architektenwertgutachten aus 1989 (rd 1,4 Mio. DM) mit lediglich 675.000 DM an, schloss aber bei einer günstigeren Grundstücks- und Anlagenverwertung einen besseren Konkurserlös nicht aus (Bl. 44, 52 KoA). Zugleich forderte er mit weiterem Schreiben vom gleichen Tage den Kläger zur Freigabe von dessen Grundschuld auf – was auch geschah (Bl. 23) – und empfahl ihm im Hinblick auf die Höhe der ungedeckten Verbindlichkeiten der I-GmbH zur Vermeidung von Zinsnachteilen die Bedienung seiner Bürgschaften (Bl. 26 f.). Wegen dieser Bürgschaften hatte die Bank dem Kläger bereits nach Anordnung der Sequestration mit Schreiben vom 26. November 1993 mitgeteilt, dass sie ihn „aufgrund des derzeitigen Kenntnisstandes” aus einer Bürgschaft über 150.000 DM und aus der Verpfändung von Festgeldern im Werte von 60.750 DM in Anspruch zu nehmen beabsichtige (Bl. 11 Bp). Darauf entrichtete der Kläger auf Anforderung der Bank vom Oktober 1994 (Bl. 29) im November 1994 einschließlich Zinsen insgesamt 216.507,90 DM (Bl. 28).
Durch Beschluss des Konkursgerichts vom 27. Juni 1997 wurde das Konkursverfahren aufgehoben (Bl. 193 KoA), nachdem der Grundbesitz der I-GmbH durch notarielle Kaufverträge vom 28. Januar 1994 bzw. 8. Mai 1995 für 200.000 bzw. 400.000 DM bereits früher durch den Konkursverwalter veräußert worden war. Die Kaufpreise waren an die Bank N. zu entrichten (Bl. 129, 134 und 142, 148 KoA).
Am 16. März 1995 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 1993 auf 5.960 DM fest (Bl. 40 f. ESt 93). Ein bereits zuvor geltend gemachter Auflösungsverlust des Klägers aus Anlass des Konkurses der I-GmbH (Bl. 2 f. Rb, Teil 2) wurde dabei nicht berücksichtigt. Hierwegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, wobei er seinen Auflösungsverlust auf 717.020 DM bezifferte (Bl. 4 f. Rb a.a.O.). Mit der Begründung, das Jahr 1993 könne keinesfalls das Jahr des Auflösungsverlustes sein, weil das Konkursverfahren 1995 immer noch nicht abgeschlossen gewesen sei, wies der Beklagte den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 24. August 1995 zurück.
Mit seiner dagegen am 25. September 1995 beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage beantragt der Kläger (sinngemäß Bl. 2, 25),
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 16. März 1995 in Form der Einspruchsentscheidu...