rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das FA im Rahmen seiner Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gem. § 146 Abs. 2b AO nicht hinreichend berücksichtigt, dass durch Übersendung eines Teils der angeforderten Unterlagen, eine Mitwirkung erfolgt ist und fehlerhaft keine Gründe für die Nichtvorlage der fehlenden Unterlagen in die Ermessensentscheidung einbezogen, liegt ein zur Rechtswidrigkeit der Verzögerungsgeldfestsetzung führender Ermessensfehlgebrauch vor. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Untergrenze des festzusetzenden Verzögerungsgeldes 2.500 Euro beträgt.
2. Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Übermaßverbot) können statt des Verzögerungsgeldes mildere Mittel (z. B. die Zwangsgeldfestsetzung nach §§ 328, 329 AO) anzuwenden sein.
3. Ob auch ein tendenziell geringes Mehrergebnis der Außenprüfung im Ergebnis zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verzögerungsgeld-Festsetzung führt, stand nicht zur Überprüfung.
Normenkette
AO § 146 Abs. 2b, § 200 Abs. 1, § 121 Abs. 1, §§ 5, 328-329; FGO § 102
Tenor
1. Der Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes vom … Januar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … März 2013 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Der Gerichtsbescheid ist – soweit er als Urteil gilt – hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die … ist. Gesellschafter-Geschäftsführer ist … (E).
Am 6. Januar 2012 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Prüfungsanordnung für eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 2008-2010. In der Prüfungsanordnung wurde darauf hingewiesen, dass Lohnkonten und Journale, Kassenbelege, Sachkonten und Bilanzen sowie Prüfberichte der Sozialversicherungsträger am Tag der Prüfung zur Verfügung stehen müssen und dass die Lohnsteuer-Außenprüfungsstelle das Recht zum digitalen Zugriff auf Daten der Firmenbuchhaltung und sonstige Unterlagen habe (BP Bl. 1). Es wurde ein Prüfungstermin in den Räumlichkeiten des steuerlichen Beraters der Klägerin auf den 30. April 2012 vereinbart.
Da im Prüfungstermin wesentliche Unterlagen nicht zur Verfügung standen, forderte der Prüfer mit Schreiben vom 4. Mai 2012 (BP Bl. 63) weitere Unterlagen bei dem Steuerberater der Klägerin an. Am 30. Juli 2012 erinnerte der Prüfer erneut an die Vorlage der Unterlagen und setzte eine Frist bis zum 13. August 2012. In dieser Aufforderung war zudem der Hinweis enthalten, dass ein Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO in Höhe von 2.500 EUR festgesetzt würde, sofern die Unterlagen nicht vorgelegt würden (BP Bl. 69).
Mit Schreiben vom 21. August 2012 reichte die Klägerin verschiedene Unterlagen ein, die im Einzelnen in diesem Schreiben aufgeführt sind (BP Bl. 73). In dem Anschreiben dazu äußerte E:
„… wurden somit alle Unterlagen, die die Firma im Besitz hatte, vorgelegt, ein Grund, Zwangsgeld festzusetzen, besteht somit nicht mehr, da alle vorhandenen Unterlagen eingereicht wurden”.
Am 24. Oktober 2012 schrieb der Prüfer an die Klägerin (BP Bl. 90):
„Meine ursprünglich mit Schreiben vom 4. Mai 2012 angeforderten Unterlagen mit Terminvorgabe 6. Juni 2012 wurden letztendlich teilweise Ende August eingereicht. Neben den noch nicht eingereichten Unterlagen werden noch weitere Unterlagen benötigt. Diesbezüglich werde ich die Unterlagen insgesamt nochmals auflisten:…. Da mir bekannt ist, dass Sie für die Verfügungstellung der Unterlagen etwas mehr Zeit benötigen, habe ich mir als Termin den 5. Dezember 2012 vorgemerkt. Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes bei Nichtvorlage behalte ich mir weiter vor”.
Ob bis zum 5. Dezember 2012 Unterlagen vorgelegt wurden, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Am 11. Januar 2013 erließ der Beklagte den Bescheid über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gemäß § 146 Abs. 2b AO i.H.v. 2.500 EUR. Als Begründung wurde angeführt, dass Auskünfte im Rahmen einer Außenprüfung nicht, nicht zeitnah oder nicht vollständig erteilt und angeforderte Unterlagen nicht, nicht zeitnah oder nicht vollständig vorgelegt worden seien (Bl. 6 ff.).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 13. Februar 2013 durch ihren Geschäftsführer Einspruch ein (Rbh Bl. 4). Sie führte als Begründung aus, am 3. Dezember 2012 seien Unterlagen beim Beklagten im … eingeworfen worden. Dies sei offensichtlich fehlerhaft gewesen, da die Betriebsprüfung in der …straße … ihren Sitz habe. In diesem „Paket” hätten lediglich die Unterlagen zur Berufsgenossenschaft gefehlt. Die Klägerin kündigte an, Ende Februar 2013 nochmals Kopien der Unterlagen in der …straße beim Beklagten einzureichen, was auch geschah.
Die Lohnsteueraußenprüfung schlos...