Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang eines Steuerverwaltungsaktes außerhalb der Dreitagefiktion. Geschäftsführerhaftung für eine nach § 42d EStG festgesetzte Lohnsteuerhaftungsforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist regelmäßig widerlegt, wenn ein Steuerverwaltungsakt den Adressaten per Postnachsendung erreicht.

2. Für eine durch Arbeitgeber-Haftungsbescheid nach § 42d EStG gegen eine GmbH festgesetzte Lohnsteuerhaftungsforderung haftet der Geschäftsführer nur nach Maßgabe des Grundsatzes der anteiligen Tilgung (Bestätigung von FG des Saarlandes, EFG 1990, 502).

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 69; EStG § 42d

 

Tatbestand

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer und Mitgesellschafter der 1983 gegründeten S mbH (Dok). Die Gesellschaft, die ihren Betrieb zum 1. September 1998 aufgegeben hat (GewSt a.E.), wurde am 6. April 2000 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht (Dok a.E.). Sie hatte für die Jahre 1985 bis 1989 Gewerbeverluste in Höhe von insgesamt 498.406 DM erwirtschaftet (GewSt 91 a.E.).

Bei der GmbH fand für die Jahre 1989 bis 1992 eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt (Bl. 37 ff. Hefter). Nach Meinung des Prüfers hätte ein französischer Arbeitnehmer der GmbH in 1989 und 1990 nicht als Grenzgänger behandelt werden dürfen, so dass der Prüfer eine entsprechende Lohnsteuer-Nachversteuerung durchführte (Bl. 38 Rs. Hefter; 24 FG). Der Beklagte folgte dem und forderte von der GmbH durch nach § 42d EinkommensteuergesetzEStG – ergangenen Arbeitgeber-Haftungsbescheid die vom Prüfer für 1989 und 1990 ermittelte Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 6.887,37 DM nach (Bl. 43 Hefter).

Nachdem der Beklagte die GmbH vergeblich zur Zahlung der Haftungsforderung aufgefordert hatte (Bl. 47, 50 f. Hefter), nahm er den Kläger hierwegen zuzüglich Säumniszuschlagen (136 DM) durch Haftungsbescheid vom 5. Dezember 1994 gemäß § 191, 69, 34 AbgabenordnungAO – in persönliche Geschäftsführerhaftung (Bl. 16 FG; 55 f. Hefter). Den dagegen fristgerecht (Bl. 2 Rb LSt) mit der Begründung eingelegten Einspruch des Klägers, der frühere Steuerberater der X. GmbH habe weisungswidrig gegen den unberechtigten Arbeitgeber-Haftungsbescheid keinen Einspruch erhoben (Bl. 2, 8 f. Rb LSt), wies der Beklagte durch am gleichen Tag als einfacher Brief zur Post gegebene Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 1996 (Bl. 43) unter Verminderung der Haftungssumme um einen zwischenzeitlich von der GmbH gezahlten Betrag (./. 500 DM) als überwiegend unbegründet zurück (Bl. 11 ff. u. 23 ff.). Die Einspruchsentscheidung war an die Sch'er Wohnungsanschrift des Klägers adressiert, die auf dem Briefumschlag in „H-straße 23, S” geändert wurde (Bl. 43). Sie erhielt beim Kläger den Eingangsstempel „06. Mai 1996” (Bl. 11, 35).

Mit seiner am 7. Juni 1996, einen Tag nach Fronleichnam, beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage beantragt der zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladene, jedoch weder erschienene noch vertretene Kläger sinngemäß,

den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 5. Dezember 1994 in Form der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 1996 ersatzlos aufzuheben.

Hierzu trägt er vor: Die Einspruchsentscheidung sei ihm infolge eines Umzuges erst am 6. Mai 1996 zugegangen (Bl. 35, 41 f.), so dass die Klage fristgerecht erhoben sei (Bl. 35).

In der Sache selbst treffe ihn kein Haftungsverschulden (Bl. 9).

Für die Beurteilung, ob es sich bei dem lohnnachversteuerten französischen Arbeitnehmer W. um einen Grenzgänger gehandelt habe, habe er sich als steuerlicher Laie auf den damaligen Steuerberater der GmbH verlassen. Für dessen eventuelles Verschulden habe er ebenso wenig einzustehen wie für den Umstand, dass der Steuerberater die Anfechtung des Arbeitgeber-Haftungsbescheides vom 1. März 1994 weisungswidrig unterlassen habe (Bl. 36 f.).

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Laut telefonischer Auskunft des Einwohnermeldeamtes Sch vom 3. Januar 1997 habe sich der Kläger mit Wirkung ab 19. Januar 1996 nach seiner heutigen luxemburgischen Anschrift abgemeldet. Deshalb sei der Zugang der Einspruchsentscheidung nach Ablauf der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO glaubhaft, auch wenn von einer zwischenzeitlichen Anschrift des Klägers in S nichts bekannt sei (Bl. 22, 45).

In der Sache selbst nimmt er mangels neuer Gesichtspunkte auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung Bezug.

Insbesondere habe sich der Kläger nicht zur Vorschrift des § 166 AO geäußert (Bl. 45).

Durch Verfügung des Berichterstatters des Senats vom 29. Januar 2001 ist der nach Luxemburg verzogene Kläger mit Frist bis 28. Februar 2001 aufgefordert worden, einen in der Bundesrepublik wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Dabei wurde der Kläger über die Folgen der Nichtbenennung eines solchen Bevollmächtigten belehrt (Bl. 53). Zu dieser an die letztbekannte luxemburgische Anschrift des Klägers gerichteten Verfügung hat sich der Kläger nicht geäußert.

Wegen weiterer Sachverhaltseinzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bet...

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