Tenor
Die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion vom 9. Aug. 1974 sowie die ablehnende Verfügung des Finanzamts vom 18. Febr. 1974 werden aufgehoben.
Das Finanzamt wird für verpflichtet erklärt, die Vollziehung des angefochtenen vorläufigen Haftungsbescheides vom 10. Jan. 1974 bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Sie hatte das Leben des Bauingenieurs … versichert. Berechtigte war Frau E. S., geb. R., wohnhaft O.. Herr S. ist am 3. Juli 1972 in … verstorben. Die Klägerin hat die Versicherungsleistung mit Verrechnungsscheck an die Kreissparkasse … am 14. Aug. und 15. Sept. 1972 für Frau E. S. geb. R., heute Frau …, ausgezahlt. Nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamts O. vom 3. Aug. 1974 hat sich Frau E. S. geb. R. am 11. Juli 1972 nach …, Belgien, abgemeldet. Das Finanzamt Saarbrücken II hat den Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterworfen und durch den berichtigten Bescheid vom 10. Jan. 1974 97.273 DM Erbschaftsteuer festgesetzt. Die Zustellung des Bescheides gegen Frau C. ist auf diplomatischem Wege in B. erfolgt. Frau C. hat nach Auffassung des FA durch ihr Schreiben vom 20. Nov. 1973 zu erkennen gegeben, daß sie weder in der Lage nach Willens ist, die angeforderte Erbschaftsteuer zu entrichten.
Das Finanzamt ist deshalb durch vorl. Steuerhaftungsbescheid vom 10. Jan. 1974 die Klägerin als Haftungsschuldner für 97.273 DM Erbschaftsteuer in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 21. Jan. 1974, am 23. Jan. 1974 beim Finanzamt eingegangen, hat die Klägerin gegen den Haftungsbescheid Einspruch eingelegt, und gleichzeitig um Aussetzung der Vollziehung der Steuer bis zur rechtskräftigen Entscheidung gebeten. Das FA hat durch Einspruchsentscheidung vom 18. Feb. 1974 den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Es hat gleichzeitig den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung abgewiesen.
Die Einspruchsentscheidung ist der Klägerin durch einfachen Brief, der am 20. Febr. 1974 zur Post gegeben wurde, bekanntgegeben worden. Mit Schriftsatz vom 1. März 1974, am gleichen Tage beim FG eingegangen, hat die Klägerin gegen den Haftungsbescheid Klage erhoben. Die Klägerin hat ferner mit Schriftsatz vom 7. März 1974, beim FA am gleichen Tage eingegangen, gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung Beschwerde eingelegt. Die OFD Saarbrücken hat durch Beschwerdeentscheidung vom 9. Aug. 1974 die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Sie verweist auf § 13 Abs. 6 ErbStG a.F., wonach Versicherungsunternehmen, die Berichtigung oder Sicherstellung der Steuer, die von ihnen zu zahlende Versicherungssumme an ausländische Berechtigte zur Verfügung stellen in Höhe des Betrages für die Steuer haften. Als ausländischer Berechtigter sei derjenige anzunehmen, der weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Die jetzige Frau C. habe sich am 11. Juli 1972 beim Einwohnermeldeamt O. abgemeldet und als künftigen Wohnort B. angegeben. Frau C. habe zu diesem Zeitpunkt im Inland keinen Wohnsitz mehr gehabt und sei für erbschaftsteuerliche Zwecke als ausländischer Berechtigter anzusehen. Für die ihr am 14. Aug. und am 5. Sept. 1972 von der Klägerin ausgezahlte Versicherungssumme sei also davon auszugeben, daß sie Ausländerin sei. Ohne Bedeutung sei es, daß Frau C. zu dieser Zeit im Inland sich aufgehalten habe.
Die Beschwerdeentscheidung ist der Klägerin, z. Hd. ihres Prozeßbevollmächtigten, am 26. Aug. 1974 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 26. Sept. 1974, am 26. Sept. 1974 beim Finanzgericht eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie beantragt,
die Entscheidung der Oberfinanzdirektion Saarbrücken vom 9. Aug. 1974 ersatzlos aufzuheben, dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der ablehnenden Verfügung des Finanzamts Saarbrücken II vom 18. Febr. 1974 zu entsprechen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen,
hilfsweise, das Finanzamt für verpflichtet zu erklären, die Vollziehung aus dem angefochtenen Bescheid bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Die Berechtigte, Frau C., habe sich kurz vor Auszahlung der Versicherungssumme erst ins Ausland abgesetzt. Sie sei noch im Besitz eines bundesdeutschen Personalausweises gewesen, mit dem sie sich gegenüber den Angestellten der Klägerin ausgewiesen habe.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Er ist der Ansicht, daß es für die Haftung nach § 15 Abs. 6 Erbschaftsteuergesetz a.F. nicht auf ein Verschulden ankomme. Bei der Entscheidung, ob die Klägerin als Haftungsschuldnerin in Anspruch zu nehmen sei, wäre wohl berücksichtigt worden, daß die Bezugsberechtigte die Klägerin möglicherweise über ihren Wohnsitz getäuscht habe. Da es aber auf ein Verschulden nicht ankomme und Frau C. die Steuer nicht gezahlt habe und auch eine Zwangsvollstreckung gegen sie nicht möglich sei, habe das Finanzamt die Kläge...