rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Einspruchs gegen Änderungsbescheid bei Unzulässigkeit der Klage gegen den ursprünglichen Bescheid. Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist des Änderungsbescheids auch nach Ablauf der Jahresfrist wegen der Annahme höherer Gewalt i.S. des § 110 Abs. 3 AO. Widerlegung der Bekanntgabevermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Änderungsbescheid wird nicht gem. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens, so dass ein Einspruch gegen den Änderungsbescheid im Rahmen des § 351 Abs. 1 AO statthaft ist, wenn die Klage gegen den Ursprungsbescheid unzulässig ist.
2. Stellt das Gericht erst mehr als ein Jahr nach Ablauf der Einspruchsfrist für den Änderungsbescheid die Unzulässigkeit der gegen den Ursprungsbescheid gerichteten Klage fest, ist dem Kläger – ohne Berücksichtigung der Jahresfrist i.S. des § 110 Abs. 3 AO – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Annahme eines Falls höherer Gewalt zu gewähren.
3. Einfaches Bestreiten des Eingangs eines Verwaltungsakts genügt nicht, um die in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO normierte gesetzliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks zu entkräften.
4. Substantiierte Zweifel an der Richtigkeit des in den Akten vermerkten Datums der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post lassen sich mit der Aufbewahrung des Briefumschlags, in dem der Verwaltungsakt übersandt wurde, begründen.
Normenkette
FGO § 68 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 56; AO §§ 351, 110 Abs. 3, § 122 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger streitet mit dem Beklagten um die Rechtmäßigkeit von Schätzungsbescheiden zur Einkommensteuer der Streitjahre 2000 und 2001.
Nachdem der Kläger für die Streitjahre innerhalb der Abgabefrist keine Einkommensteuererklärungen eingereicht hatte, erließ der Beklagte am 21. Januar 2003 Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 (ESt III, BI. 2, 5). Diese berücksichtigten jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H. von 100.000 DM.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 18. Februar 2003 (Rbh III, BI. 19) Einspruch ein. Im Februar 2003 verzog der Kläger nach P, seinem jetzigen Wohnort (BI. 17). Mit Einspruchsentscheidung vom 28. April 2003 (Rbh IH, BI. 10) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach Aktenlage (Rbh III, BI. 1) wurde die Einspruchsentscheidung am selben Tag zur Post gegeben. Sie war bereits an die neue Anschrift des Klägers in P adressiert (BI. 7).
Mit Schreiben vom 10. Juni 2003 erhob der Kläger Klage.
Nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte am 17. Juni 2004 nach § 164 Abs. 2 AG geänderte Einkommensteuerbescheide (BI. 59 ff.). Darin wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Entsprechend dem Vermerk der Steuerfahndung vom 3. Mai 2004 (BI. 66 ff.) wurden die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers gemindert und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
Nachdem das Verfahren im Geschäftsverteilungsplan des Finanzgerichts des Saarlandes vom 14. Dezember 2006 vom 2. Senat auf den 1. Senat übertragen worden war, wurde die Berichterstattung aufgrund Sachzusammenhangs mit Verfahren der G GmbH, einem Unternehmen, dessen Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger ist, am 21. Dezember 2006 dem Richter am Finanzgericht Dr. Bilsdorfer übertragen (BI. 79).
Hinsichtlich des weiteren Verfahrensablaufs wird auf die Darstellung im Urteil des Senats vom 25. April 2007 im Verfahren 1 K 2063/03 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage festzustellen.
Der Kläger macht geltend, er habe die Einspruchsentscheidung erst am 12. Mai 2003 erhalten (BI. 1, 16). Er bezweifelt die Richtigkeit des in den Verwaltungsakten enthaltenen Absendevermerks (BI. 16) und verweist darauf, dass er im Februar 2003 umgezogen sei (BI. 17). Danach sei es häufig zur Nichtzustellung bzw. verspäteten Zustellung von Postsendungen gekommen.
Der Kläger beantragt, ihm hinsichtlich einer eventuellen Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (BI. 93). Er macht geltend, erst durch den Aussetzungsbeschluss vom 11. Januar 2007 auf die Frage der Fristversäumnis aufmerksam geworden zu sein.
Der Kläger rügt mit verschiedenen Anträgen die Vorgehensweise des Senats in diesem Verfahren. Er erhebt insgesamt 13 Einzelrügen, zu deren Inhalt auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie die entsprechenden Schriftsätze Bezug genommen wird. Außerdem stellt der Kläger den Antrag, die Richter Dr. Schmidt-Liebig und Dr. Bilsdorfer wegen der Besorgnis der Befangenheit vom Verfahren auszuschließen (BI. 379, 384).
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei infolge der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post am 28. April 2003 und des Eingangs der Klageschrift bei Gericht am 10. Juni 2003 verfristet. Dies gelte ungeachtet des Umzugs des Klägers. Der Kläger habe trotz eines entsprechenden Hinwe...