rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wochenendheimfahrten eines auswärts beschäftigten ledigen Arbeitnehmers in die elterliche Wohnung als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Fahrtaufwendungen eines Aktionärs zu Hauptversammlungen. Einkommensteuer 1990 und 1991

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fahrten eines ledigen Arbeitnehmers, der mit Zweitwohnsitz auswärts arbeitet, zwischen seiner auswärtigen Arbeitsstätte und der Wohnung der Eltern fallen unter § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, wenn der ledige Arbeitnehmer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen am elterlichen Wohnsitz hat, weil er dort in ständiger Wiederkehr seine Wochenenden und sonstige Freizeit verbringt.

2. Erzielt ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus (Aktien-)Kapitalvermögen, so stellen Fahrtaufwendungen zu Aktionärsversammlungen seiner AG Werbungskosten selbst dann dar, wenn der Steuerpflichtige die Hauptversammlungen erklärtermaßen vornehmlich aus Gründen der Sicherung der Wertigkeit seines Aktienstammrechts besucht. Die Abzugsfähigkeit der Fahrtaufwendungen scheitert allenfalls dann, falls sie die Erträge aus den gehaltenen Aktien über Jahre hinweg nachhaltig bei weitem übersteigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, S. 1, § 20 Abschn. 1 Nr. 1

 

Tenor

Unter Änderung der Bescheide vom 29. August und 23. September 1994, beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 1. April 1996, wird dem Beklagten aufgegeben, die Einkommensteuer 1990 und 1991 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 310 DM für 1990 und 1.481 DM für 1991 neu zu berechnen.

Im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu 77/100 und dem Beklagten zu 23/100 auferlegt.

Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger wohnte seit April 1992 in S. (Bl. 11 FG; 25 Rb 90). Bis dahin hatte er seinen Hauptwohnsitz in H. in der Wohnung seiner Eltern (Bl. 14 Rb 90). Daneben unterhielt er in den Streitjahren 1990 und 1991 einen Zweitwohnsitz in N. bzw. St, wo er bis Ende September 1991 zunächst in N. und ab dann in St als leitender kaufmännischer Angestellter berufstätig war (Bl. 2, 6 Rs., 11 Rb 90; 11, 25 Rb 91).

In seinen 1994 beim Beklagten für die Streitjahre eingereichten Einkommensteuererklärungen machte er neben PKW-Fahrtkosten zwischen seinen auswärtigen Arbeitsstätten und den dortigen Wohnungen u. a. auch solche zwischen ersteren und H. geltend, und zwar für

  • • 58 (1990) bzw. 44 Fahrten (1991) zu je 304 Entfernungskilometern (N.) und
  • • 25 Fahrten zu je 184 Entfernungskilometern (St).

Für 1991 rechnete er zusätzlich vier PKW-Wohnungssuch- und sieben PKW-Umzugsfahrten zwischen N. und St nach gefahrenen Kilometern ab. Dabei setzte er für die einzelnen Umzugsfahrten 302 km an (Bl. 7 Rb 90; 11 Rb 91).

In den Anlagen KSO erklärte der Kläger für die Streitjahre Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.124,81 bzw. 1.791,72 DM, darunter 207,14 bzw. 312,18 DM aus Aktienbesitz (Bl. 4 Rb 90; 6 Rb 91). Hierzu machte er Werbungskosten für PKW-Fahrtaufwendungen zwecks Teilnahme an Aktionärsversammlungen in Höhe von 522,48 bzw. 1.073,52 DM geltend, die er ebenfalls nach gefahrenen Kilometern abrechnete (Bl. 16 Rb 90; 6 Rb 91).

Im Einkommensteuerbescheid 1990 vom 29. August 1994 (Bl. 30 ff. Rb 90) erkannte der Beklagte die Heimfahrten nach H. nur für 45 Tage an (Bl. 32 Rb 90). Im Einkommensteuerbescheid 1991 vom 23. September 1994 (Bl. 27 ff. Rb 91) berücksichtigte er die Fahrtaufwendungen zu den Hauptversammlungen nicht und die Umzugskosten lediglich pauschal mit 500 DM (Bl. 29 u. 29 Rs. Rb 91).

Die Einsprüche wies der Beklagte unter Änderung der Einkommensteuer 1990 und 1991 durch Entscheidung vom 1. April 1996 als unbegründet zurück (Bl. 10 ff.).

Mit seiner am 26. April 1996 erhobenen Klage beantragt der Kläger,

unter Änderung der Bescheide vom 29. August und 23. September 1994, beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 1. April 1996, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung sämtlicher erklärter Fahrtwerbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen festzusetzen, und zwar für

  • 1990: in Höhe von insgesamt 10.766 statt 8.468 DM und
  • 1991: in Höhe von insgesamt 19.790 statt 14.442 DM.

Hierzu trägt er vor: Seine Angaben zu den Fahrtaufwendungen zwischen seiner damaligen H'er Hauptwohnung und seinen beiden auswärtigen Arbeitsstätten sowie zu den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften, deren Aktien er gehalten habe, habe er bereits im Verwaltungsverfahren durch die Bestätigung seines Vaters vom 11. Februar 1996 belegt.

Heimfahrten seien ihm unter der Woche möglich gewesen, weil ihm vom Arbeitgeber gestattet worden sei, seine aufgrund einer Wochenarbeitszeit von 45 bis 60 Stunden angefallenen Überstunden wenigstens zum Teil halbtagsweise abzubauen (Bl. 1).

Dem Schreiben vom 19. Februar 1996 sei die Auf...

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