rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung bei Vereitelung des Rückforderungsanspruchs irrtümlich erstatteter Steuern
Leitsatz (redaktionell)
- Bei irrtümlicher Erstattung von Steuern aufgrund unzutreffender Festsetzung entsteht der Rückforderungsanspruch der Finanzbehörde mit der Auszahlung des nicht geschuldeten Betrages.
- Der Geschäftsführer einer GmbH verletzt schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten, wenn er den für ihn erkennbaren Rückforderungsanspruch vor dessen Festsetzung und Fälligkeit durch Weiterleitung des Erstattungsbetrages an die Gesellschafter und den Verweis des Steuergläubigers auf ein masseloses Insolvenzverfahren vereitelt.
- Mit der Auszahlung des nicht geschuldeten Betrages beginnt der für die Tilgungsverpflichtung maßgebende Haftungszeitraum.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, § 37 Abs. 1, §§ 69, 129, 191 Abs. 1; FGO § 69; GmbHG § 43 Abs. 1
Streitjahr(e)
2004
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Inanspruchnahme aufgrund eines Haftungsbescheids.
Der Antragsteller war Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der „Z-GmbH” (ehemals „Dr. I-GmbH”), „F-Str. 1”. „00001 S-Stadt”. Die Gesellschaft wurde am 04.07.2001 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags „das Halten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, die Verwaltung von eigenem Vermögen und die Beratung von anderen Unternehmen”. Das Stammkapital betrug 30.000,00 €. Gesellschafter waren neben dem Antragsteller der Rechtsanwalt Dr. „G”, „X-Str. 2”, „00002 „S-Stadt” und der Rechtsanwalt „L”, „B-Straße 3”, „00003” „S-Stadt”. Die Gesellschafter übten ihre Tätigkeit als Rechtsanwälte gemeinschaftlich in der Rechtsanwaltsozietät Dres. „G & I, „F-Str. 1”, „00001 S-Stadt” aus. Der Mitgesellschafter „L” schied im Juli 2002 aus der Gesellschaft aus.
Das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft lief vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres. Im ersten Geschäftsjahr ihrer Tätigkeit erwirtschaftete die Gesellschaft einen Gewinn von 137.544,46 €. Dieser wurde in der Bilanz zum 30.06.2002 vollständig in die Kapitalrücklage eingestellt. Die Bilanz auf den 30.06.2003 wies einen Fehlbetrag in Höhe von ./. 156.614,38 € auf. Über sonstiges, werthaltiges Vermögen verfügte die Gesellschaft nicht.
Vom 10.12.2002 bis zum 12.12.2002 führte der Antragsgegner - das Finanzamt „S-Stadt” - bei der GmbH eine Umsatzsteuersonderprüfung durch (PrüfLNr. „004"/02). Im Rahmen dieser Betriebsprüfung wurde ein Mehrumsatz in Höhe von 38.500,00 € festgestellt, so dass sich die Gesamtumsätze der Gesellschaft im III. Quartal 2002 statt auf 200.000,00 € auf 238.500,00 € beliefen (vgl. Tz. 14 des Prüfungsberichts). Das Mehrergebnis betrug 6.160,00 €. Die Umsatzsteuersonderprüfung wurde vom Antragsteller als Geschäftsführer der Gesellschaft begleitet. Noch vor Auswertung des Berichts wurde dieser dem Antragsteller zur Stellungnahme zugeleitet.
Anlässlich der Auswertung des Berichts kam es beim Antragsgegner bei der Erstellung des geänderten Vorauszahlungsbescheids für das III. Quartal 2002 vom 30.01.2003 zu einem Eingabefehler. Statt des Umsatzes in Höhe von 238.500,00 € wurde dieser Betrag als „Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) und aus innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (§ 25b Abs. 5 UStG)” eingegeben. Dies führte zu einer Erstattung zugunsten der Gesellschaft in Höhe von 210.247,56 €. Aufgrund des geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids vom 30.01.2003 wurde der Gesellschaft der ausgewiesene Betrag am 05.02.2003 auf deren Konto „0000005” bei der „C-Bank” erstattet. In der Kenntnis, dass diese Erstattung zu Unrecht erfolgte, veranlasste der Antragsteller zwei Tage später am 07.02.2003 die sofortige Umbuchung des Gesamtbetrags auf das Konto „0000006” der GmbH bei der „W-Bank” „S-Stadt” Am 10.02.2003 sind dann auf telefonischen Auftrag des Antragstellers drei Überweisungen über 160.000,00 €, 20.000,00 € und 30.000,00 € getätigt worden. Der Mitgesellschafter des Antragstellers tätigte am 11.02.2003 eine Bareinzahlung über 20.000,00 € und überwies anschließend den Betrag von 27.237,03 € an die „D-Automobil-Bank” für den Erwerb eines Kraftfahrzeugs. Die Überweisung über 160.000,00 € wurde zunächst storniert. Der Betrag wurde dann jedoch unter dem Wertstellungsdatum 10.02.2003 in drei Teilbeträgen von 35.469,94 €, 10.796,26 € sowie 113.733,80 € an die Gesellschafter überwiesen. Der Zahlungseingang vom 05.02.2003 ist in der auf den 30.06.2003 aufgestellten Gewinnermittlung der Gesellschaft nicht enthalten.
Im Juni 2003 bemerkte der Antragsgegner den Erfassungsfehler. Am 23.06.2003 erließ er einen nach § 129 Abgabenordnung - AO - geänderten Vorauszahlungsbescheid für das III. Quartal 2002, in dem der zu Unrecht erstattete Betrag zurückgefordert wurde. Neun Tage nach Zugang des Bescheids änderte die Gesellschaft ihren Namen in „Z-GmbH”. Die Gesellschafter begannen mit der stillen Liquidation der Gesellschaft. Eine weitere Geschäftstätigkeit wurde nicht mehr ausgeführt. D...