Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Wirksamkeit eines steuerrechtlichen Haftungsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Haftungsinanspruchnahme der Mitarbeiter einer Bank, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht enttarnter Kunden durch anonyme Verlagerung von Vermögenswerten ins Ausland geleistet haben, können zur Feststellung der Entstehung einer – der Höhe nach geschätzten – Steuerschuld und des Vorliegens einer Steuerhinterziehung die bei den identifizierten Teilnehmern an diesem Verschleierungssystem gewonnenen Erkenntnisse zugrunde gelegt werden.
- Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides ist die Angabe der Steuerschuldner und der Höhe der auf sie entfallenden einzelnen Steuerschulden nicht erforderlich.
Normenkette
AO §§ 71, 119 Abs. 1, § 162 Abs. 1, §§ 191, 370; StGB § 27
Nachgehend
Gründe
Auszugsweise Wiedergabe aus den Gründen:
...
Der Antrag ist unbegründet.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (BFH-Urteil vom 10. November 1994 IV R 44/94, BStBl II 1995, 814). Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit und an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides vom... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom....
2. Die Wirksamkeit des angefochtenen Haftungsbescheides ist nicht ernstlich zweifelhaft. Der Senat vermag sich der Ansicht des Antragstellers, der Haftungsbescheid sei nichtig, weil es ihm ohne Angabe der Steuerschuldner und der Höhe der einzelnen Steuerschulden an der hinreichenden Bestimmtheit mangele, nicht anzuschließen. Nach § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die hinreichende Bestimmtheit setzt die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag und die Person des Steuerschuldners voraus (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Besteuerungsgrundlagen müssen hingegen, soweit sie nicht gesondert festzustellen sind, nicht im anfechtbaren Teil des Steuerbescheides angegeben werden. Übertragen auf den Haftungsbescheid bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, dass ein besonders schwerer Fehler nur dann anzunehmen ist, wenn der Haftungsbescheid nicht die ihn erlassende Behörde, den Haftungsschuldner, die Haftungsschuld und/oder die Art der Steuer angibt, für die der Haftungsschuldner haften soll (BFH in BStBl II 1997, 306). Es ist für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides nicht erforderlich, dass aus ihm der oder die Steuerschuldner hervorgehen, und dass erkennbar ist, in welcher Höhe die Steuerschuld auf den jeweiligen Steuerschuldner entfällt (BFH-Urteile vom 09. März 1982 VII R 47/79, [...], und vom 17. März 1994 VI R 120/92, BStBl II 1994, 536; BFH in BStBl II 1997, 306). Da der angefochtene Haftungsbescheid den Antragsgegner als erlassende Behörde, den Antragsteller als Haftungsschuldner, die Haftungsschuld der Höhe und der Art (Einkommensteuer 1993) nach sowie den Haftungsgrund in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend erkennen lässt, ist er hinreichend bestimmt und wirksam.
3. Bei summarischer Prüfung bestehen auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides keine ernstlichen Zweifel. Nach §§ 191 i.V.m. 71 AO kann derjenige durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der an einer Steuerhinterziehung teilnimmt. Er haftet für die verkürzten Steuern und für die Zinsen nach § 235 AO.
a) Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Aussetzungsverfahrens davon überzeugt, dass eine Einkommensteuerschuld 1993 besteht, für die der Antragsteller haftet, und dass diese Steuer von nicht enttarnten Kunden der A-Bank hinterzogen wurde.
aa) Das STRAFA-FA und das AG haben festgestellt, dass Kunden der A-Bank im Hinblick auf die bevorstehende Einführung der sogenannten Zinsabschlagsteuer bereits zu Beginn des Jahres 1992 durch die Verlagerung von Vermögenswerten ins Ausland die späteren Erträge der deutschen Besteuerung endgültig entziehen wollten. Um vor Nachforschungen der deutschen Steuerbehörden geschützt zu sein, hatten diese Kunden ein Interesse, bei den Transfers keine Spuren zu hinterlassen, die eine kundenbezogene Zuordnung der über die A-Bank getätigten Auslandstransfers zuließen. Ihnen war an einem anonymen Transfer gelegen. Zahlreiche Kunden der A-Bank machten von der seitens der Bank geschaffenen Möglichkeit, Bargeld und Wertpapiere ohne Legitimationsprüfung anonym ins Ausland zu transferieren, Gebrauch...