rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Formell ordnungswidrige Buchführung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein buchführungspflichtiger Gastwirt kann auf die Aufbewahrung der Registrierkassenstreifen nur dann verzichten, wenn die Tagesendsummenbons den Nullsummenzähler („Z-Zähler”) ausweisen.
- Anderenfalls liegt ein wesentlicher Mangel der Aufzeichnungen vor wenn die Bargeschäfte einen erheblichen Teil der Geschäftsvorfälle ausmachen und sich die Vollständigkeit der Aufzeichnungen nicht anderweitig überprüfen oder belegen lässt.
- Die Höhe der bei dieser Sachlage dem Grunde nach gerechtfertigte Zuschätzung kann aber ernstlichen Zweifeln unterliegen, wenn sie unter Anwendung der sogenannten „30/70"-Methode allein auf der Annahme beruht, dass sich bei Speisegaststätten die Umsätze mit Speisen ohne Weiteres anhand eines bestimmten Verhältnisses aus den kalkulierten Getränkeumsätzen „hochrechnen” ließen.
- Für diese Schätzungsmethode fehlt es bislang an Erfahrungswerten und Rechtsprechung im Hinblick auf ihre Zuverlässigkeit.
Normenkette
AO § 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1, §§ 158, 162 Abs. 2 S. 2; FGO § 69
Streitjahr(e)
1999, 2000, 2001
Tatbestand
I. Die Antragsteller (Ast.) wenden sich gegen Hinzuschätzungen aufgrund einer Nachkalkulation. Sie werden in den Streitjahren 1999 bis 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ast. betreibt eine griechische Gastwirtschaft mit zwei Kegelbahnen. Er ermittelt den Jahresüberschuss durch Betriebsvermögensvergleich und verfügt nach den Feststellungen der Betriebsprüfung über eine Registrierkasse der Marke Serd vom Typ ECR 900. Der Ast. bewahrte Belege über Barausgaben und die Tagesendsummenbons der Registrierkasse, nicht aber die Registrierkassenstreifen auf. Er listete die Tageseinnahmen anhand der Tagesendsummenbons einmal monatlich auf. Die Einnahmen wurden vom Steuerberater des Ast. für die Jahre 1999 und 2000 in einer Monatssumme und im Jahre 2001 täglich erfasst.
Im Rahmen einer Außenprüfung für Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1999 bis 2001 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Kassenbuchführung nicht ordnungsgemäß sei, weil die Tagesendsummenbons nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien, und nahm eine Nachkalkulation wie folgt vor: Zunächst ermittelte er exemplarisch anhand von Warengruppenberichten der Registrierkasse den Anteil der Getränkeumsätze am Gesamtumsatz. Es ergab sich ein Anteil von 40%, der auf Getränke entfiel, und von 60% für Speisen. Der Anteil der Getränke lag nach den Feststellungen des Prüfers insoweit zwar über dem bei Speisegaststätten üblichen Anteil von 30%, diese Abweichung war aber nach Ansicht des Prüfers damit zu erklären, dass der Ast. zwei Kegelbahnen betreibt.
Der Prüfer ermittelte dann durch eine Aufschlags- und Ausbeutekalkulation den Rohgewinnaufschlagsatz bei den verschiedenen Getränkesorten und den (kalkulatorischen) Getränkeumsatz. Den Speisenumsatz errechnete er sodann auf der Grundlage des Verhältnisses von Getränke- und Speisenumsatz (40/60). Der sich danach ergebende Aufschlagsatz für die Speisen lag nach den Feststellungen des Prüfers erheblich über dem üblichen Satz, so dass der Prüfer annahm, dass der Ast. den Wareneinkauf bzw. Wareneinsatz nicht vollständig erfasst haben könne. Er errechnete den kalkulatorischen Wareneinsatz für die Speisen deshalb unter Ansatz eines Aufschlagsatzes von 230%. Bei dieser Berechnung ergaben sich folgende Mehrergebnisse (in DM):
Jahr |
Gewinn vor BP |
Mehrgewinn |
Mehrergebnis Umsatzsteuer |
1999 |
55.626,00 |
61.462,52 |
9.078,21 |
2000 |
40.005,00 |
55.536,00 |
10.161,14 |
2001 |
49.086,00 |
17.167,70 |
3.616,74 |
Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 2.3 sowie die Anlagen 1 bis 7 des Betriebsprüfungsberichts vom 17. Februar 2004 Bezug genommen. Bei der Schlussbesprechung wurde keine Einigung hinsichtlich der Hinzuschätzungen aufgrund der Nachkalkulation erzielt; die übrigen Punkte sind – soweit ersichtlich – unstreitig.
Das Finanzamt veranlagte die Ast. zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 1999 bis 2001; die Bescheide für 2000 und 2001 standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung änderte der Antragsgegner – das Finanzamt – die alleine an beide Eheleute adressierten Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 und die an den Ast. adressierten Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001. Die Änderung wurde hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1999 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), hinsichtlich der übrigen Bescheide auf § 164 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützt.
Gegen die Änderungsbescheide erhoben beide Ast. Einspruch, über den bislang nicht entschieden ist. Das Finanzamt lehnte die Aussetzung der Vollziehung der Änderungsbescheide ab. Die Ast. haben unter dem Aktenzeichen 18 K 2794/04 E,U Klage erhoben und beantragen bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung der Änderungsbescheide. Sie wenden sich gegen die Zuschätzungen aufgrund der Nachkalkulation. Der Ast. betreibe die Gastwirtschaft als Kleinstbetrieb. Die Antragstellerin koche, der Ast. e...