Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie von Kosten der Ausstattung als Werbungskosten
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vorläufigkeit eines Steuerbescheides steht der Zulässigkeit eines gegen ihn gerichteten Einspruchs oder einer Klage grundsätzlich nicht entgegen. Gleiches gilt für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
- Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i. d. F. des StÄndG 2007.
- Ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel rechtfertigen eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5; AO § 165 Abs. 1 Nr. 3; FGO § 69
Streitjahr(e)
2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Antragsteller sind Eheleute, die in den Streitjahren 2007 und 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Antragsteller erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als freier Journalist. Die Antragstellerin ist als Bauingenieurin nichtselbständig für die Firma K-GmbH tätig. Sie betreut als Außendienstmitarbeiterin ein Verkaufsgebiet mit den Schwerpunkten E-Stadt, XStadt, F-Stadt, L-Stadt, B-Stadt und C-Stadt.
In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin i.H.v. 1.494 EUR bzw. 1.722 EUR als 4 Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Die Aufwendungen des Jahres 2007 entfielen mit 595 EUR auf eine Mietwohnung in G-Stadt (1. Januar bis 30. Juni) und mit 899 EUR auf ein Haus in T-Stadt (1. Juli bis 31. Dezember). Der Antragsgegner ließ die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in den Einkommensteuerbescheiden vom 5. Februar bzw. 27. März 2009 unter Hinweis darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin darstelle, nicht zum Abzug zu.
Dagegen legten die Antragsteller fristgerecht Einspruch ein und trugen vor, die beruflich genutzten Räume stellten schon kein häusliches Arbeitszimmer dar. Es handele sich um eine Betriebsstätte der Firma K-GmbH im Sinne des § 12 Satz 1 und 2 Nr. 3 der Abgabenordnung – AO –. Jedenfalls seien die Räume aber als der quantitative und qualitative Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin anzusehen, da sie als Außendienstmitarbeiterin bei der Firma K mit Sitz im vom Wohnort über 200 km entfernt liegenden Y-Stadt keinen Arbeitsplatz zur Verfügung habe. Letztlich bestünden auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung. Zum Nachweis reichten die Antragsteller Bescheinigungen der Firma K-GmbH über die Art der Tätigkeit der Antragstellerin, den Arbeitsvertrag, eine Kopie der Visitenkarte, Fotoaufnahmen von dem Objekt in T-Stadt sowie Reisekostenabrechnungen für das Jahr 2008 ein. Ergänzend verwiesen sie auf einschlägige Rechtsprechung (Vorlage des FG Münster an das Bundesverfassungsgericht vom 8. Mai 2009 1 K 2872/08, DStR 2009, 1024; Beschluss des Niedersächsischen FG vom 2. Juni 2009 7 V 76/09, ZSteu 2009, R523; Urteil des FG Köln vom 10. Dezember 2008 7 K 97/07, EFG 2009, 649; BFH-Urteil vom 26. März 2009 VI R 15/07, DStR 2009, 1030).
Der Antragsgegner erließ am 10. März 2009 einen Teilabhilfebescheid für das Jahr 2007 und änderte die Festsetzung unter hier nicht streitigen Gesichtspunkten. Mit Änderungsbescheiden vom 5. Juni 2009 erklärte der Antragsgegner die Festsetzungen für die Jahr 2007 und 2008 im Hinblick auf die Anwendung der Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes – EStG – i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2007 – StÄndG 2007 – i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG) für vorläufig. Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 legten die Antragsteller Einspruch gegen die Änderungsbescheide ein und wandten sich gegen die Aufnahme der Vorläufigkeitsvermerke.
Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 wies der Antragsgegner die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Arbeitszimmerkosten könnten im Hinblick auf die Abzugsbeschränkung gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht abgezogen werden, da der qualitative Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Einspruchsführerin außerhalb des beruflich genutzten Raumes liege. Es handele sich um ein häusliches Arbeitszimmer. Bei Außendienstmitarbeitern liege der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers (BFH-Urteil vom 13. November 2002, BStBl II 2004, 62). Prägend sei die Außendiensttätigkeit, nicht die Bürotätigkeit. Die im Arbeitszimmer vorzunehmenden Verrichtungen hätten im Wesentlichen den Charakter von Vor- und Nachbereitungshandlungen, die nicht zu einer inhaltlichen Prägung der Arbeiten führten. Dem stehe die Unvermeidbarkeit von Büroarbeit im häuslichen Arbeitszimmer sowie die Zurverfügu...