Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

 

Leitsatz (redaktionell)

Es erscheint ernstlich zweifelhaft, ob der nachträgliche Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch dann zu versagen ist wenn diese nach Veräußerung des Vermietungsobjektes deswegen entstanden sind, weil der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen ausgereicht hat.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FGO § 69

 

Streitjahr(e)

2007, 2008, 2009

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Antragstellerin erwarb im Jahre 1995 eine Immobilie zu einem Gesamtkaufpreis von 4,8 Millionen Euro. Der Kaufpreis wurde über Darlehen finanziert, die in der Folgezeit zum Teil umgeschuldet und zum Teil an andere Darlehensgläubiger abgetreten wurden. Das Objekt wurde im Jahre 2007 zwangsversteigert mit einem Erlös von 770.000 EUR. Der Erlös wurde für die teilweise Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten verwandt. Da der Erlös zur Tilgung der Darlehen nicht ausreichte, bestanden Darlehensverbindlichkeiten fort, auf welche die Antragstellerin in den Streitjahren Zinszahlungen leistete.

Die Antragstellerin machte diese Zinszahlungen, die sie nach der Zwangsversteigerung des Objektes geleistet hatte, als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 2007 bis 2009 geltend. Das Finanzamt erkannte in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2007 diese Zinszahlungen nicht an und lehnte für die Jahre 2008 und 2009 den Erlass von Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Antragstellerin ab. Die Antragstellerin legte gegen diese Bescheide Einsprüche ein und beantragte, deren Vollziehung auszusetzen. Der Antragsgegner lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab.

Die Antragstellerin hat hierauf einen Antrag an das Gericht gestellt. Sie verweist darauf, dass vor dem Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen IX R 67/10 ein Verfahren anhängig sei, das die Frage zum Gegenstand habe, ob Schuldzinsen nach Veräußerung einer Immobilie als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können. Sie weist außerdem darauf hin, dass der BFH bereits mit Urteil vom 16.03.2010 unter dem Aktenzeichen VIII R 20/08 entschieden habe, dass bei Beteiligungseinkünften Zinsen auch in den Zeiträumen nach Veräußerung der Beteiligung als Werbungskosten abzuziehen sein können.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

1. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2007 in der Weise von der Vollziehung auszusetzen, dass Zinsen in Höhe von 82.213 EUR vorläufig zusätzlich als Werbungskosten berücksichtigt werden.

2. die Ablehnungsbescheide betreffend den Erlass von Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2008 und 2009 dahingehend von der Vollziehung auszusetzen, dass vorläufig von als Werbungskosten zu berücksichtigenden Schuldzinsen in Höhe von 81.325 EUR in 2008 und 79.589 EUR in 2009 auszugehen ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen beziehungsweise die Ablehnung des Erlasses derartiger Bescheide entspreche der derzeitigen Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf BFH-Urteil vom 12.11.1991, IX R 15/90, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 289; BFH vom 16.09.1999, IX R 42/97, BStBl II 2001, 528). Es bestünden - so der Antragsgegner - demnach keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig.

Begehrt ein Kläger - wie im Streitfall die Antragstellerin für 2007 - die Feststellung höherer negativer Einkünfte als in einem Feststellungsbescheid festgestellt, so ist die Anfechtungsklage die zutreffende Klageart. Dementsprechend ist korrespondierendes Mittel vorläufigen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung (vgl. BFH-Beschluss vom 10.07.1979, VIII B 84/78, BStBl II 1979, 567; BFH-Urteil vom 22.10.1980, I S 1/80, BStBl II 1981, 99; Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung -AO/FGO-, § 69 FGO Rz. 37, 40).

Bei einem negativen Feststellungsbescheid, mit dem es das Finanzamt abgelehnt hat, negative Einkünfte einheitlich festzustellen wie der Antragsgegner für 2008 und 2009, ist, obwohl richtige Klageart die Verpflichtungsklage wäre, ebenfalls vorläufiger Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Im Tenor des Aussetzungsbeschlusses sind die vorläufig zu berücksichtigenden negativen Einkünfte aufzuführen (vgl. BFH-Beschluss vom 14.04.1987, GrS 2/85, BStBl II 1987, 637; Seer in Tipke/Kruse, ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge