Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechselwirkung der Festsetzungsfristen von Grundlagen- und Folgebescheid nach Aufhebungszusage des Finanzamts und übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die durch Anfechtung eines Feststellungsbescheids bewirkte Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist endet mit der Bekanntgabe eines diese Feststellung betreffenden Aufhebungsbescheides und nicht erst mit dessen Unanfechtbarkeit.
  2. Dies gilt auch, wenn die Aufhebung in Erfüllung einer auf Anregung des Gerichts gegebenen Zusage der Finanzbehörde erfolgt, aufgrund deren die Beteiligten einen anhängigen Finanzgerichtsprozess durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet haben.
  3. Der der Finanzbehörde obliegende Nachweis, dass der die angegriffene Feststellung ersetzende Bescheid den Behördenbereich vor der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides verlassen hat, kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, wenn die Absendung des Bescheides nicht in einem Vermerk der Poststelle festgehalten ist.
  4. Die irrige Beurteilung formellrechtlicher Anforderungen bei der Bescheiderteilung – wie die fehlende Bezeichnung der Feststellungsbeteiligten - wird von der Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO nicht erfasst.
  5. Ein Antrag auf Änderung eines festsetzungsverjährten Folgebescheides kann keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO auslösen. Dies gilt auch, wenn der Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, zu dem die Festsetzungsverjährung hinsichtlich des Grundlagenbescheides noch nicht abgelaufen war.
 

Normenkette

AO § 124 Abs. 1 S. 1, § 169 Abs. 1, § 171 Abs. 3, 3a, 4, 10, § 174 Abs. 4, § 181 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1

 

Streitjahr(e)

1987, 1995, 1999

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2009; Aktenzeichen IV R 90/06)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April bis 10. April 1987 vom 27. Oktober 1999 und vom 21. Dezember 1999 die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war und ob der Beklagte in diesem Bescheid einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn oder einen laufenden Gewinn in Höhe von 2.538.391,00 DM ansetzen musste.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG - Herstellerin und Verarbeiterin von Brot- und Backwaren - erwarb mit notariellem Vertrag vom 3. April 1987 die Geschäfts- und Kommanditanteile von neun zur „Y-Gruppe” gehörenden Firmen für einen Gesamtkaufpreis von 2,2 Mio. DM. Zu den übernommenen Firmen der „Y-Gruppe” gehörten auch die Brotfabrik Z-GmbH & Co. KG und die Y-Brot GmbH & Co. KG.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hatte zuvor mit Vertrag vom 31. Juli 1986 einen Liefer- und Distributionsvertrag für Brot- und Backwaren mit der B- AG in G-Stadt geschlossen. Danach war die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG berechtigt und verpflichtet, vom 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1996 zuzüglich einer Verlängerungsoption von fünf Jahren alle bestehenden und zukünftigen Filialen der B-AG in einem fest umrissenen Gebiet im Westen mit Brot- und Backwaren zu beliefern. In diesem „B-Bezirk West” konnte die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG die Belieferung nicht selbst durchführen, da sie im Westen keine Produktionsstätte besaß. Sie gewann daher die Y-Gruppe als Kooperationspartner, der die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG die B- Belieferungsrechte für den Bezirk West „gegen eine monatliche Vergütung von 2 % des Nettoumsatzes” aus diesen Geschäften mit Vertrag vom 31. Oktober 1986 abtrat.

Sowohl die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG als auch die Mitglieder der Y-Gruppe waren bereits vor dem am 3. April 1987 geschlossenen Kaufvertrag Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Brot e. V.”. Diese Arbeitsgemeinschaft stellte ihren Mitgliedern die Rezepturen und Verfahren zur Herstellung von Brot-Produkten zur Verfügung. Jedes Mitglied durfte die Brot-Produkte in einem fest umrissenen Gebiet vertreiben (s. Satzung der „Arbeitsgemeinschaft Brot e. V.” vom 18. Mai 1987, Seite 173 ff. der FG-Akte).

Mit weiterem notariellen Vertrag vom 10. April 1987 (Blatt 57 der FG-Akte 11 K 4291/95 F) verkaufte die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG ihre erworbenen Geschäfts- und Kommanditanteile an sämtlichen ehemals zur Y-Gruppe gehörenden neun Firmen an die S-Großbäckereien GmbH & Co KG.

In dem Veräußerungsvertrag vom 10. April 1987 blieben nach § 2 Nr. 2 Buchstabe h) die Brot-Vertriebsrechte bezüglich des ehemaligen „Y-Gebietes” von der Verwertung ausgenommen. Nach § 5 Nr. 6 des Vertrages hatte die S-Großbäckereien GmbH & Co KG das Recht und die Pflicht, von der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hergestellte Brot-Produkte zu beziehen und im „Y-Gebiet” zu vertreiben. Grundlage dieser Brot betreffenden Vereinbarung war eine vertraglich vereinbarte Abnahme von ca. 2 Mio. kg pro Jahr. Die Käuferin musste nach § 5 Nr. 7 zusätzlich zu den Preisen für -Brot pro kg einen Betrag 0,20 DM zzgl. Mehrwertsteuer zahlen. So...

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