Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 a UStG für Bildungsleistungen nicht öffentlicher Einrichtungen
Leitsatz (redaktionell)
- Die von einem als gemeinnützig anerkannten privaten Verein im Rahmen seines defizitären Zweckbetriebs mit den zur beruflichen Fortbildung durchgeführten Seminaren und Veranstaltungen erbrachten Leistungen sind nach § 4 Nr. 22 a UStG umsatzsteuerfrei.
- Bei einem solchen Verein handelt es sich bereits aufgrund seiner Anerkennung als gemeinnützigen Zwecken dienende Körperschaft um eine Einrichtung mit von den betreffenden Mitgliedstaaten anerkannter vergleichbarer Zielsetzung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 lit. i der MwStSystRL.
- Eine Vorsteuerabzugsberechtigung für die Eingangsumsätze des Zweckbetriebs nach vorrangigem Gemeinschaftsrecht kann nicht darauf gestützt werden, dass es sich bei den durchgeführten Aus- und Fortbildungsveranstaltungen nur um einen Teil der Aufgaben des Vereins handelt.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 22 a, § 15 Abs. 2 S. 1; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 lit. I; MwStSystRL Artikel 133a
Streitjahr(e)
2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein.
Nach § 2 der Satzung ist der Zweck des Vereins wie folgt angegeben:
(I) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung. Zweck des Vereins ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung…sowie die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens…Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die
unmittelbare und mittelbare wissenschaftliche Betätigung durch eigene Forschungsvorhaben und Vergabe von Forschungsaufgaben;
Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen;
Informationen der Allgemeinheit durch Veröffentlichungen etc. in den Medien;
Weiterentwicklung von Therapiemaßnahmen;
Herausgabe und Verbreitung einer Zeitschrift mit wissenschaftlichen Beiträgen.
(II) Der Verein kann nach vorheriger Genehmigung durch die Mitgliederversammlung die korporative Mitgliedschaft in anderen, auch ausländischen Gesellschaften erwerben.
Nach seinem Internetauftritt bietet der Kläger ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm. Die Fortbildungsprogramme sind speziell auf bestimmte Bereiche ausgerichtet und unterliegen hohen Qualitätssicherungen. Die Leistungen des Klägers umfassen dabei:
Herausgabe der Fachzeitschriften.
Qualifizierte Weiterbildung
Masterkurse
Internationale Qualifikation
Nationale und internationale Kongresse
Beratung und Betreuung junger Kollegen beim „Tag der offenen Tür”
Sonderkonditionen für Mitglieder bei Kongressen und Fortbildungsprogrammen
Umfassende Patienteninformation: Veranstaltungen, Anzeigen, Presseinformationen, Patientenbroschüre und Liste der Spezialisten (auf Anfrage und im Internet)
Masterausbildung
Der Kläger wurde mit Freistellungsbescheid vom 17.12.2009 bis einschließlich des Jahres 2008 als gemeinnützig anerkannt - er ist es weiterhin.
Im Rahmen der Abgabe seiner Umsatzsteuererklärungen für 2006 - 2008 machte der Kläger folgende Angaben:
...
Anlässlich einer zunächst für 2005 - 2007 angeordneten und später auf 2008 erweiterten Betriebsprüfung wurde die Oberfinanzdirektion ≪ OFD ≫ ...um eine Stellungnahme zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 a des Umsatzsteuergesetzes ≪ UStG ≫ gebeten. Diese wurde erteilt, vom Prüfer übernommen und im Prüfungsbericht vom 20.1.2012 in Tz. 4 wie folgt wiedergegeben:
„Der Kläger ist ein gemeinnützig anerkannter Verein. Er führt im Rahmen seines Zweckbetriebes verschiedene Seminare und Fortbildungsveranstaltungen durch. Die Veranstaltungen des Zweckbetriebs erklärte er nach § 12 Nr. 8 a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern. Nach Auffassung der Betriebsprüfung sind die durch den Zweckbetrieb erbrachten Leistungen nach § 4 Nr. 22 a UStG jedoch als steuerfrei zu behandeln und die in diesem Zusammenhang anfallenden Vorsteuerbeträge gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Nach § 4 Nr. 22 a UStG sind Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, steuerfrei, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet würden.
Da der Verein mit Feststellungsbescheid vom 17.12.2009 bis einschließlich des Jahres 2008 als gemeinnützig anerkannt ist, handelt es sich unstreitig um eine Einrichtung (hier Körperschaft des Privatrechts), die gemeinnützigen Zwecken diene. Diese würde auch unstreitig Vorträge, Kurse bzw. Veranstaltungen (Seminare) wissenschaftlicher Art erbringen.
Aufgrund des stark defizitären Zweckbetriebs könne davon ausgegangen werden, dass die Einnahmen des Vereins überwiegend zur Deckung der Kosten verwenden würden. Das Merkmal „überwiegend” bedeutet, dass die Einnahmen zu mehr als 50% zur Deckung der Kosten zu verwenden wäre...