Entscheidungsstichwort (Thema)
Möglichkeit einer Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG auf beschränkt Steuerpflichtige
Leitsatz (redaktionell)
Der Ausschluss des Freibetrags nach §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 4 EStG bei Veräußerung der Praxis eines beschränkt steuerpflichtigen Freiberuflers mit Wohnsitz in den Niederlanden verstößt weder gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen das Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und gegen die Niederlassungsfreiheit, noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Normenkette
EStG 2002 § 1 Abs. 4, § 16 Abs. 4, § 18 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 3, § 50 Abs. 1 S. 4; GG Art. 3 Abs. 1; EWGV Art. 7; EWGV Art. 52
Streitjahr(e)
2005
Tatbestand
Der Kläger (geb. 23.01.1968) hat seinen Wohnsitz in den Niederlanden. Im Inland betrieb er eine Praxis für Physiotherapie. Zum 31.10.2005 stellte er seine Geschäftstätigkeit wegen Berufsunfähigkeit ein; diese wurde durch ein arbeitsmedizinisches Fachgutachten nachgewiesen. Die Praxis wurde mit Vertrag vom 08.08.2005 zum 01.11.2005 veräußert. Die Erwerberin zahlte für den ideellen Praxiswert 22.000 EUR und für die Einrichtung 25.000 EUR. Der Kläger ermittelte einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 46.484 EUR und vertrat die Ansicht, nach Abzug des Freibetrages von 45.000 EUR gemäß § 18 Abs. 3 EStG seien davon nur 1.484 EUR steuerpflichtig. Abweichend hiervon berücksichtigte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 23.07.2007 einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 46.484 EUR. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein mit der Begründung, es sei der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Zudem werde der Freibetrag nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 4 EStG beantragt. Der Ausschluss des Freibetrages für beschränkt Steuerpflichtige nach § 50 Abs. 1 S. 4 EStG sei gemeinschaftsrechtswidrig.
Der Beklagte änderte den Bescheid am 28.01.2008 und berücksichtigte den ermäßigten Steuersatz; durch Einspruchsentscheidung vom 22.10.2008 wies er den Einspruch im übrigen zurück. Er führte aus, er sei an die Vorschrift des §50 Abs.1 S.4 EStG gebunden.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor:
§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG, der den Ausschluss des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG für beschränkt Steuerpflichtige vorsehe, sei gemeinschaftsrechtswidrig, insbesondere in einem Fall wie dem Vorliegenden, in dem die weitaus überwiegenden Einkünfte im Inland erzielt würden. Beschränkt Steuerpflichtige würden dadurch gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen unangemessen benachteiligt; dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keine Rechtfertigung. Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG wirke sich zum Nachteil von Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten aus und führe zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Die Ungleichbehandlung stehe der Niederlassungsfreiheit entgegen. Der Kläger sei aus persönlichen gesundheitlichen Gründen gezwungen gewesen, seine selbständige Tätigkeit im Inland aufzugeben; eine andere geeignete Tätigkeit habe er nur in den Niederlanden gefunden. Zwar stehe ihm die Möglichkeit offen, dass seine persönliche Lage und sein Familienstand bei seiner Einkommensteuerveranlagung im Wohnsitzstaat berücksichtigt würden; der Veräußerungsgewinn werde im Wohnsitzstaat aber nur als Progressionseinkunftsart berücksichtigt. Einen Ausgleich für die Nichtgewährung des Freibetrags gebe es dort daher nicht.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2005 unter Berücksichtigung des Freibetrags nach §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 4 EStG zu ändern,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Das Finanzamt sei an die Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige gebunden. Das Grundgesetz gelte für die Bewohner der Bundesrepublik Deutschland.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Zu Recht hat der Beklagte den Veräußerungsgewinn im Jahr 2005 in voller Höhe der Besteuerung unterworfen.
Nach § 18 Abs. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 4 EStG wird der Veräußerungsgewinn bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit eines Steuerpflichtigen, der das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist, auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen unstreitig vor. Der Kläger war als Physiotherapeut selbständig tätig und musste seine Praxis wegen dauernder Berufsunfähigkeit aufgeben.
Der Gewährung des Freibetrags steht jedoch die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung entgegen. Der Kläger, der im Streitjahr im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthal...