vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines polnischen Staatsbürgers bei Entsendung ins Inland für weniger als 12 Monate
Leitsatz (redaktionell)
- Ein für weniger als 12 Monate von seinem polnischen Arbeitgeber in das Inland entsandter polnischer Staatsbürger, der ausschließlich in Polen sozialversicherungspflichtig ist, unterliegt gemäß Art. 14 Nr. 1 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften Polens über soziale Sicherheit und damit nach Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h VO (EWG) 1408/71 auch den polnischen Vorschriften über das Kindergeld.
- Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG auch nicht subsidiär anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
- Aus der VO (EG) 883/2004 ergeben sich insoweit gegenüber der auf der VO (EWG) 1408/71 beruhenden Rechtslage keine Abweichungen.
- Eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG kann auch bei Anwendbarkeit deutschen Kindergeldrechts nur für die Monatszeiträume eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG begründen, in denen der Steuerpflichtige die für die fiktive Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG erforderlichen inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 62; VO 1408/71/EWG Art. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Nr. 1 Buchst. a; VO 1408/71/EWG Anhang I Teil I E; VO 883/2004/EG Art. 12
Streitjahr(e)
2006, 2007
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 18.03.2014; Aktenzeichen III R 78/10) |
Tatbestand
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und der Vater des am 31. März 2003 geborenen „A” sowie der am 12. Juni 2006 geborenen „B”.
Die Kinder sowie die Kindesmutter leben in Polen.
Unter dem 25. März 2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld. Dazu legte er eine „Bescheinigung des Arbeitgebers”, der in Polen ansässigen „C” vor. Danach war der Kläger vom 21. April 2006 bis zum 10. April 2007 von seinem Arbeitgeber in einen Betrieb in „D” entsandt worden. Ein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit bestand nach dieser Bescheinigung nicht, weil der Kläger in Polen bei der ZUS sozialversichert war.
Des Weiteren war dem Antrag die Kopie einer von der „C” GmbH in „D” ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung für den Zeitraum 1. Juni bis 31. Dezember 2006 beigefügt. Danach wurden von dem Bruttoarbeitslohn lediglich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten, nicht jedoch Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
Außerdem erklärte der Kläger, seine Ehefrau sei weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig.
Mit Bescheid vom 6. November 2009 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis darauf, dass der Kläger in Polen sozialversichert sei, ab.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30. November 2009 Einspruch ein und machte geltend, die Auffassung der Beklagten entspreche nicht der Gesetzes- und auch nicht der Weisungslage.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2010 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der am 22. April 2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Ergänzend macht er geltend, er sei im Jahr 2006 und 2007 in Deutschland tätig gewesen. Auf seinen Antrag hin sei er vom zuständigen Finanzamt als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG behandelt worden.
Er begehre Kindergeld für seine beiden Kinder in Höhe von 7.392,- EUR für die Zeit von Januar 2006 bis Dezember 2007.
Im Verhandlungstermin am 2. November 2010 hat der Kläger die Klage bezüglich „B” für die Zeit von Januar bis Mai 2006 zurückgenommen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Änderung des Bescheides vom 6. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2010 für seinen Sohn „A” für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2007 und für seine Tochter „B” für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Dezember 2007 Kindergeld in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Ausweislich einer im Klageverfahren nachgereichten Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2007 hatte der Kläger für die Zeit vom 14. Februar 2007 bis zum 1. April 2007 erneut von der „C” GmbH Arbeitslohn bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der ablehnende Bescheid vom 6. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, Kindergeld festzusetzen.
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