Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Inanspruchnahme von Sonderabschreibung für Teilherstellungskosten
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kinderheim, das nach der Konzeption der Baulichkeiten als Gemeinschaftsunterbringung für eine Vielzahl regelmäßig wechselnder Kinder vorrangig zu Therapie- und Betreuungszwecken dient, ist kein Wohnzwecken dienendes Gebäude im Sinne der für die Berechnung der Abschreibungen maßgeblichen Vorschriften des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 b und Satz 2 Nr. 1 FördG sowie des § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG.
Normenkette
FördG § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b, S. 2 Nr. 1; EStG § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1; SGB VIII § 34
Streitjahr(e)
1996, 1997, 1998, 1999, 2000
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Absetzung für Abnutzung (AfA) nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) und die Höhe der nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuziehenden AfA.
Die Klägerin ist eine Fondsgesellschaft. Sie errichtete auf ihrem Grundstück ein im März 1997 fertig gestelltes Gebäude, das sie seither an den Landkreis Z im Rahmen eines Immobilien-Leasingvertrages vom 20.3.1997 vermietet. Der Landkreis unterhält mit Hilfe des Familienhilfswerks e.V. dort ein Kinderheim. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 1996 bis 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Sie wendet sich gegen die nach einer steuerlichen Betriebsprüfung (Prüfungsbericht vom 31.3.2004) geänderten Bescheide vom 31.5.2005 über die einheitlich und gesonderten Gewinnfeststellungen für 1996 bis 2000.
Bei dem vorerwähnten Kinderheim handelt es sich um eine Hilfseinrichtung zur Heimerziehung nach § 34 des Sozialgesetzbuches (SGB) Teil VIII. Es wird danach Hilfe zur Erziehung über Tag und Nacht geleistet. Während der Zeit der Unterbringung wird den Kindern Betreuung durch geschulte Fachkräfte bis hin zur therapeutischen Hilfe, auch durch Facharztbesuche, angeboten und gewährleistet. Dabei wird die Heimleitung durch Sozialpädagogen und Wirtschafterinnen unterstützt. Die ausschließlich minderjährigen Kinder stammen aus Familien, die mit der Erziehung dieser Kinder aus unterschiedlichsten Gründen überfordert sind. Ende des Jahres 2004 waren 22 der insgesamt 30 Betreuungsplätze belegt. Die Kinder werden auf Vorschlag des Jugendamtes, teilweise auf Antrag der Eltern oder vereinzelt auf eigenen Wunsch hin aufgenommen. Spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres müssen die Kinder das Heim verlassen und werden danach noch „mit Hilfe in allen Lebensfragen” unterstützt. Während der Unterbringungszeit ist aufgrund gesetzlicher Bestimmungen alle zwei Jahre die erforderliche Unterbringungsanordnung zu prüfen. In eher seltenen Fällen kam und kommt es zur Rückkehr in die Familie oder zur Vermittlung an Pflegefamilien.
Die Unterbringung erfolgt in drei Wohngruppen je 10 Kinder, denen jeweils Erzieher zugeteilt sind, die auch über Nacht die Beaufsichtigung sicherstellen. Die Kinder sind in Ein- und Zweibettzimmern untergebracht. Bei der Zuteilung zu einer der Wohngruppen werden die Gruppenzusammensetzung, das Alter und Geschwisterzugehörigkeit berücksichtigt. Die Baulichkeiten bestehen aus drei Gebäudetrakten mit jeweils einer kompletten, durch eine Tür von dem Verwaltungstrakt und den Gemeinschaftsräumen getrennten abgeschlossenen Wohneinheit, die sich jeweils über zwei Etagen erstreckt. Hierzu wird auf die den Beteiligten bekannten Grundrisskizzen Bezug genommen.
Nach dem Ergebnis und der Bewertung der eingangs genannten Betriebsprüfung (insb. Tz. 32 des Prüfungsberichts) diente das Gebäude ganz überwiegend und vorrangig Wohnzwecken. Der Beklagte schloss sich dieser Einschätzung an. Infolgedessen ließ der Beklagte die Abschreibung der in 1996 entstandenen Teilherstellungskosten (5.613.838,23 DM) zwar bis zur Höhe von 50 % zu, berechnete aber für die Jahre ab 1997 die Fördergebiets-AfA mit 25 % der bis zur Fertigstellung entstandenen restlichen Herstellungskosten von 47.849,02 DM sowie die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG mit 2 % p.a der gesamten Herstellungskosten von 5.661.687,25 DM. Für nicht Wohnzwecken dienende Gebäude wären AfA-Sätze von 40 % statt 25 % und von 4 % statt 2 % anzusetzen gewesen.
Der Beklagte stützte sich u.a. darauf, dass der steuerliche Berater der Klägerin mit Schreiben vom 8.12.1997 mitgeteilt hatte, die Verwendung des Gebäudes in vielfältigen Bereichen sei unkompliziert, da die Räumlichkeiten üblichen Dimensionen entsprächen und eine Nutzung als Jugendherberge, Ferienzentrum oder Wohnung ohne besonderen Umbauaufwand möglich sei. Die Nutzung des Gebäudes sei nicht durch aufwendige Sonderausstattungen bzw. Sondereinbauten und Gestaltungen eingeschränkt.
Der Beklagte ging außerdem von Folgendem aus: Eine Befragung der Heimleiterin und des Jugendamtleiters während der Betriebsprüfung habe ergeben, dass die Kinder durch die Verbindung von Alltagsleben mit pädagogischen und notfalls therapeutischen Mitteln in ihrer Entwicklung gefördert werden sollten, mit dem Ziel, dass die Kinder lernen, den Alltag auf normalem Wege zu erleben und eine Rückkehr zu ihrer Familie oder einer E...