Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass einer Teileinspruchsentscheidung innerhalb der Einspruchsfrist – Zulässigkeit eines erneuten Einspruchs
Leitsatz (redaktionell)
- Gegen eine innerhalb der Einspruchsfrist ergangene wirksame Teileinspruchsentscheidung kann nicht zulässigerweise bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erneut Einspruch eingelegt werden.
- Dem Finanzamt ist es nicht verwehrt, das Einspruchsverfahren durch Erlass einer Einspruchsentscheidung vor Ablauf der Einspruchsfrist abzuschließen, wenn die Einspruchsbegründung nicht erkennen lässt, dass weiteres Vorbringen folgen soll.
Normenkette
AO § 348 Nr. 1, § 367 Abs. 2 Buchst. A; FGO § 56
Streitjahr(e)
2011
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Bestandskraft einer Teileinspruchsentscheidung.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger übte eine Einsatzwechseltätigkeit als Stahlbaumonteur und Schweißer aus und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit der Einkommensteuererklärung 2011 machte er Kosten für Fahrten zu seinen Einsatzorten i.H.v. EUR 12.387,60 geltend.
Mit Bescheid vom 04.06.2012 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2011 auf EUR 7.032 fest. Bei den Einkünften des Klägers brachte er Reisekosten i.H.v. nur 80% des geltend gemachten Betrages zum Abzug.
Mit Schreiben vom 04.06.2012, zugegangen am 05.06.2012, legten die Kläger Einspruch ein. Der Einspruch richtete sich gegen die Kürzung der als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes -EStG- abgezogenen Krankheitskosten um zumutbare Belastungen. Da zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Kürzung mehrere finanzgerichtliche Verfahren anhängig seien, beantragten sie das Ruhen des Verfahrens.
Daraufhin erließ der Beklagte am 21.06.2012 – vor Ablauf der Einspruchsfrist – eine Teileinspruchsentscheidung gemäß § 367 Abs. 2 Buchst. a) der Abgabenordnung -AO-. Er wies den Einspruch, soweit er nicht die Verfassungsmäßigkeit der Kürzung der außergewöhnlichen Belastungen betraf, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Steuerbescheides nicht bestünden. Die Kläger hätten auch keine Einwände gegen die Steuerfestsetzung erhoben. Der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung sei sachdienlich, weil dadurch die Festsetzung weitestgehend in Bestandskraft erwachsen und so dem beiderseitigen Bedürfnis nach Rechtsfrieden und -sicherheit Rechnung getragen werden könne. Im Übrigen stellte der Beklagte das Einspruchsverfahren ruhend.
Am 06.07.2012 legten die Kläger erneut Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 04.06.2012 ein. Eine Begründung werde nachgereicht. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 16.08.2012 um Übersendung der Einspruchsbegründung gebeten hatte, beantragten die Kläger die erklärungsgemäße Berücksichtigung der Fahrtkosten des Klägers. Dem am 20.09.2012 vorgebrachten Einwand des Beklagten, dass der erneute Einspruch nicht zulässig sei, hielten sie entgegen, dass die Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 AO nicht durch vorzeitige Teileinspruchsentscheidung verkürzt werden dürfe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15.11.2012 verwarf der Beklagte den Einspruch der Kläger als unzulässig. Gemäß § 348 Nr. 1 AO, seien Einsprüche gegen Einspruchsentscheidungen nicht statthaft. Nach Ergehen der Teileinspruchsentscheidung habe den Klägern nur noch der Weg zum Finanzgericht offen gestanden. Die von den Bevollmächtigten der Kläger am 06.07.2012 abgegebene Erklärung könne – mangels Mehrdeutigkeit – auch nicht als Änderungsantrag ausgelegt oder umgedeutet werden.
Am 14.12.2012 haben die Kläger Klage erhoben. Sie vertreten die Auffassung, dass die Einspruchsfrist nicht durch Erlass einer Teileinspruchsentscheidung vor Fristablauf verkürzt werden dürfe; ein solches Verhalten des Beklagten sei willkürlich und damit ermessensfehlerhaft. Der Steuerbescheid habe deshalb nicht in Bestandskraft erwachsen können, mit der Folge, dass ein erneuter Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist zulässig gewesen sei. § 348 Nr. 1 AO stehe dem nicht entgegen, da sich der Einspruch gerade nicht gegen die Teileinspruchsentscheidung, sondern den ursprünglichen Verwaltungsakt gerichtet habe. § 367 Abs. 2 Buchst. a) AO verfolge den Zweck, das beliebige Nachschieben von Einspruchsgründen nach Ablauf der Einspruchsfrist zu verhindern. Teileinspruchsentscheidungen dürften jedoch nicht dazu eingesetzt werden, vor Ablauf der Einspruchsfrist Bestandskraft herbeizuführen und so dem Steuerpflichtigen weiteres Vorbringen im Einspruchsverfahren abzuschneiden. Ein solches Vorgehen widerspreche dem Sinn und Zweck des Vorverfahrens, dem Bürger kostenlos Rechtsschutz zu gewähren, die Verwaltung zur Selbstkontrolle anzuhalten und die Gerichte zu entlasten. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 23.10.1989 sei es nicht notwendig, dass der Steuerpflichtige bereits zu Beginn des Rechtsbehelfsverfahrens s...