Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsverlust aus GmbH-Beteiligung
Leitsatz (redaktionell)
- Im Bereich des § 17 EStG können auch vorweggenommene Anschaffungskosten berücksichtigt werden.
- Der Auflösungsverlust aus einer wesentlichen GmbH-Beteiligung ist - vorbehaltlich des Eingreifens des Halbabzugsverbots - um die vor Eintritt in die Gesellschaft gewährten eigenkapitalersetzenden Darlehensbeträge des Gesellschafters zu erhöhen, wenn sie nach dessen endgültigem Entschluss zum Erwerb der Kapitalanlage entstanden sind und in einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung stehen.
- Der Darlehensverlust ist auch im Umfang einer bereits vor Begründung der wesentlichen Beteiligung eingetretenen Wertminderung zu berücksichtigen, wenn der Gesellschafter zu keinem Zeitpunkt nicht wesentlich beteiligter Gesellschafter war und daher die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG nicht einschlägig ist.
Normenkette
EStG § 3c Abs. 2, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1, 6 Buchst. b, Abs. 4; HGB § 255 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 32a Abs. 1
Streitjahr(e)
2002
Tatbestand
Streitig ist die Höhe eines Verlustes aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2002 gewerbliche Einkünfte als Mediengestalter, Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Mit Beschluss vom 8. November 1999 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der L-GmbH mit Sitz in A-Stadt bestellt, die am 13. Juli 1998 gegründet und mit Beschluss vom 8. November 1999 umfirmiert worden war. Die Gesellschaft nahm ihre Geschäftstätigkeit, die Herstellung und den Vertrieb von Audio-CDs, in 1999 auf. Am 16. Juni 2000 erwarb der Kläger eine Beteiligung von nominal 24.500 DM (49 %) an der Gesellschaft. Die Anschaffungskosten betrugen 33.000 DM. Weiterer Gesellschafter war Herr C mit einer Beteiligung von 25.500 DM (51 %). Der Kläger stellte der Gesellschaft - ebenso wie sein Mitgesellschafter - seit 1999 fortlaufend Geldmittel zur Verfügung. Mit Beschluss vom 3. Juli 2002 lehnte das Amtsgericht den Eigenantrag der L-GmbH auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab. Die Löschung der Gesellschaft erfolgte am 7. Juli 2002.
In seiner Einkommensteuererklärung für 2002 machte der Kläger einen Verlust aus der Beteiligung an der L-GmbH i. H. v. 186.652,08 EUR (nach Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens: 93.326,04 EUR) geltend, der sich aus dem anteiligen Stammkapital i. H. v. 12.526,65 EUR (24.500 DM), dem Gesellschafterdarlehen i. H. v. 156.625,43 EUR (306.332,72 DM) und einer Bürgschaftsinanspruchnahme i. H. v. 17.500 EUR zusammensetzte. Zum Nachweis reichte er Auszüge aus Buchhaltungskonten der Gesellschaft (Gesellschafterdarlehen) sowie einen Vollstreckungsbescheid (Bürgschaftsinanspruchnahme) ein. In dem unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 26. April 2004 berücksichtigte das Finanzamt einen Verlust in entsprechender Höhe. Zugleich erging ein entsprechender Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2002, der ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand.
Im Jahr 2007 führte das Finanzamt eine steuerliche Außenprüfung für den Zeitraum 2002 bis 2005 beim Kläger durch. Die Betriebsprüfung stellte u.a. fest, dass die GmbH bereits am 31. Dezember 1999 überschuldet gewesen sei. Der Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG sei jedoch um den Darlehensbetrag, der auf die Zeit vor der Beteiligung des Klägers entfällt, zu kürzen. Bis zum 16. Juni 2000 sei die Hingabe der Darlehensbeträge nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, so dass es sich nicht um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen handeln könne. Das bislang berücksichtigte Gesellschafterdarlehen sei daher um 102.000 DM zu kürzen, so dass der Verlust nur 138.846,51 EUR (nach Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens: 69.423,26 EUR) betrage. Eine Berücksichtigung des auf die Zeit vor dem Anteilskauf entfallenden Darlehensverlusts als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit scheide aus, da weder ein Anstellungsvertag noch eine Vereinbarung über Geschäftsführervergütungen hätten vorgelegt werden können. Auf Tz. 2.3 des Betriebsprüfungsberichts vom 4. Mai 2007 wird Bezug genommen.
Auf der Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung erließ der Beklagte am 15. August 2007 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 sowie einen entsprechend geänderten Verlustfeststellungsbescheid. Die Nachprüfungsvorbehalte wurden aufgehoben.
Gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31. Dezember 2002 legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein und machte im Wesentlichen geltend, dass das Darlehen spätestens mit dem Erwerb der GmbH-Anteile zu einem Gesellschafterdarlehen geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich entschieden, das Darlehen nicht zurückzufordern, sondern stehen zu lassen. Hierin sei eine neu...