vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umtauschanleihe mit Barzuzahlung – Übergang der ursprünglichen Anschaffungskosten auf die angedienten Wertpapiere – Wertverhältnis zur Barzuzahlung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 18/23)
Leitsatz (redaktionell)
- 1. Die Anschaffungskosten des Erwerbs von Umtausch-Teilschuldverschreibungen einer Indexanleihe gehen auch dann gemäß § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auf die zu deren Rückzahlung neben einer Barzuzahlung angedienten Wertpapiere über, wenn die Barzuzahlung ein Vielfaches des Werts der angedienten Wertpapiere beträgt.
- 2. Eine solche Verlagerung des wirtschaftlichen Ertrages aus der Rückzahlung der Teilschuldverschreibungen auf die Barzuzahlung rechtfertigt weder eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG noch die Annahme eines eine Veräußerung gegen Mischentgelt verschleiernden Gestaltungsmissbrauchs (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 14.02.2022 VIII R 44/18, BStBl II 2022, 636).
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 4 S. 1, Abs. 4a Sätze 2-3, § 32d Abs. 1, 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b; AO § 42
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in Zusammenhang mit einem Anleihegeschäft sowie der Veräußerung von Zertifikaten an eine GmbH, deren Alleingesellschafter er ist, im Jahr 2018 (Streitjahr) erzielt hat.
Der Kläger erwarb am 19.11.2018 und 27.11.2018 Teilschuldverschreibungen einer Indexanleihe (nachfolgend „Anleihe“) in das Depot bei der A Bank in Z-Stadt . Nach den Emissionsbedingungen der Anleihe leitete sich ihr Nennbetrag aus der Summe der Indexstände des Dow Jones Industrial Average und des S&P 500 Indexes am Emissionstag der Anleihe ab (Basiswert) und errechnete sich durch Multiplikation des Basiswerts mit 0,01. Der Nennbetrag am Emissionstag der Anleihe (12.11.2018) betrug 281,134 Euro je Teilschuldverschreibung. Der Kläger erwarb insgesamt 32.013 Teilschuldverschreibungen zum Kurswert der Anleihe inklusive Handelsspanne i.H. von insgesamt 8.926.316,20 Euro.
Die Anleihe wurde mit 7,2638 % p.a. ab dem 19.11.2018 bis einschließlich 19.12.2018 verzinst. Die Rückzahlungsverpflichtung und die Rückzahlungsart des Emittenten waren nach den Emissionsbedingungen vom Verhältnis des Basiswerts zum Stand der Indizes Dow Jones Industrial Average und S&P 500 am 13.12.2018 abhängig (Referenzpreis des Basiswerts). Während der Referenzkurs am Emissionstag bei 28.113,40 Indexpunkten lag, berechnete sich ein Referenzpreis des Basiswerts am 13.12.2018 mit 27.247,92 Indexpunkten, was 96,921468 % des Anfangsreferenzpreises entsprach. Die Emissionsbedingungen sahen für den Fall, dass der Bewertungspreis am Fälligkeitstag weniger als 100 %, aber mindestens 85 % des Anfangsreferenzkurses beträgt, eine Rückzahlung durch Übertragung eines Liefergegenstands sowie Zahlung eines Differenzausgleichsbetrags vor. Der Kläger erhielt vom Emittenten als Liefergegenstand 32.013 Open End-Partizipationszertifikate auf den S&P 500 (nachfolgend „S&P 500-Zertifikate“) mit einem Kurswert von 23,32 Euro (32.013 x 23,32 Euro = 746.543,16 Euro) sowie einen Geldbetrag von 249,16 Euro je Teilschuldverschreibung, d. h. 7.976.359,08 Euro (32.013 x 249,16 Euro).
Mit Vertrag vom 20.12.2018 veräußerte der Kläger alle S&P 500-Zertifikate zu einem Preis von 22,37 Euro je Zertifikat an die B GmbH (nachfolgend: „ B GmbH“), an der er 100 % der Anteile hielt. Der Veräußerungserlös betrug 716.130,81 Euro (32.013 x 22,37 Euro).
In den Erläuterungen zu seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wies der Kläger auf die o. g. Vorgänge hin. Er habe einen Veräußerungsverlust durch die Veräußerung der Zertifikate am 20.12.2018 i.H. von 8.210.185,39 Euro (Veräußerungserlös 716.130,81 Euro abzüglich Anschaffungskosten 8.926.316,20 Euro) erzielt, der gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sei. Dieser Verlust unterliege - entgegen den Angaben in der Erträgnisaufstellung der Depotbank - nicht der Abgeltungssteuer. Auf den gezahlten Differenzausgleich in Geld von 7.976.359,08 Euro habe die Depotbank zutreffend die Kapitalertragsteuer einbehalten. Dies gelte auch für die ihm zugeflossenen Zinsen.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 30.12.2020 unter Berücksichtigung der in der Anlage KAP vom Kläger erklärten Beträge, aber unter Außerachtlassung seiner Erläuterungen zur Nichtanwendung des Abgeltungssteuersatzes hinsichtlich des Verlustes auf Grund der Veräußerung der S&P 500-Zertifikate an die B GmbH fest.
Dagegen legte der Kläger am 22.01.2021 Einspruch ein, über den das FA zunächst nicht entschied. Nach Erhebung einer Klage wegen Untätigkeit setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 31.03.2022 die Einkommensteuer geringfügig herab, wies den Einspruch jedoch im Wesentlichen als unbegründet zurück. Der Wert der Zertifikate, die der Kläger im Dezember 2018 erhalten habe, trete mit einem Anteil vo...