Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristbeginn bei Verjährung; Verhältnis der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und § 170 Abs. 5 Nr. 2 2. Alt. AO
Leitsatz (redaktionell)
Durch eine im vierten Jahr nach Entstehung der Steuer erfolgte Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung tritt keine weitere Anlaufhemmung von drei Jahren ab der im gleichen Jahr eingetretenen Kenntnis der Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung ein; vielmehr beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist in diesem Fall mit Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung.
Normenkette
AO §§ 47, 169-170; EGAO Art. 97 § 10 Abs. 5; ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1989, 1991
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Schenkungsteuer durch den Beklagten im Zusammenhang mit einem Verkauf von Aktien der Firma B-AG vom 4. April 1991.
Bei der B-AG handelt es sich um eine reine Holdinggesellschaft, die an Gesellschaften aus der Modebranche beteiligt ist und deren Aktien nicht börsennotiert sind. Das Grundkapital der im Mai 1988 gegründeten Gesellschaft betrug bei Gründung 1.925.000 DM; hierzu wurden Aktien zu einem Preis von 55 DM je Aktie (= 110 % des Nennwerts von 50 DM) ausgegeben. Auf Grund von Beschlüssen der Hauptversammlung der Gesellschaft vom 14. Juli 1988, 6. Oktober 1988 sowie 6. Dezember 1989 beschlossen die Aktionäre Kapitalerhöhungen.
Mit Vertrag vom 22. November 1989 erwarb die Klägerin 9.299 Aktien der B-AG von ihrem Vater zu einem Preis von 55 DM je Aktie. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss die Klägerin mit ihrem Vater noch am selben Tag einen Darlehensvertrag über 511.445 DM zu einem Zinssatz von 7 % p. a. ab.
Durch Beschluss vom 16. Juli 1990 gab die B-AG im Rahmen einer weiteren Kapitalerhöhung in Höhe von 800.000 DM Aktien zu einem Preis von 55 DM je Aktie aus. Am 4. April 1991 veräußerte die Klägerin ihr gesamtes Aktienpaket an die C-GmbH, deren Geschäftsführer der Vater der Klägerin ist, zu einem Preis von 250 DM je Aktie (= 500 % des Nennwerts).
Von den beiden Verkäufen aus Dezember 1989 und April 1991 erfuhr der Beklagte (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerstelle) auf Grund eines Schreibens des Finanzamts O am 4. April 1995.
Der Beklagte ermittelte in schenkungsteuerlicher Hinsicht zunächst wegen des Aktienverkaufs vom 22. Dezember 1989, weil der Kaufpreis von 55 DM je Aktie seiner Ansicht nach erheblich zu niedrig angesetzt worden sei. Mit Schreiben vom 17. Juli 1995 forderte er die Klägerin wegen des Aktienkaufs vom 22. Dezember 1989 zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf. Hinsichtlich des Verkaufs vom 4. April 1991 wies der Beklagte darauf hin, dass insofern ebenfalls eine Schenkungsteuererklärung erforderlich sein könnte für den Fall, dass der im Vertrag vereinbarte Kaufpreis höher sei als bei einem etwaigen Verkauf an einen fremden Dritten. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 teilte die Klägerin mit, dass sich der Kursanstieg mit den überproportional gesteigerten Ertragsaussichten der B-AG erklären lasse.
Der Beklagte setzte mit Schenkungsteuerbescheid vom 27. März 1996 zunächst Schenkungsteuer gegen die Klägerin wegen des Aktienkaufs vom 22. Dezember 1989 in Höhe von 34.740 DM fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf Hinweis des erkennenden Senats hob der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2001 im sich anschließenden Klageverfahren 4 K 7370/97 Erb den Schenkungsteuerbescheid auf und die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Bereits mit Schreiben vom 16. November 2000 hatte der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass die abschließende Beurteilung des Aktienverkaufs vom 4. April 1991 noch ausstehe. Sie (die Klägerin) werde daher gebeten, für diesen Verkauf nunmehr eine Schenkungsteuererklärung abzugeben. Hierfür werde eine Frist bis zum 15. Dezember 2000 gesetzt. Sollte bis zu diesem Termin keine Steuererklärung eingehen, würden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt.
Nachdem die Klägerin zunächst Fristverlängerung beantragt hatte, teilte sie mit Schreiben vom 16. Januar 2001 mit, dass der Verkauf der Aktien im Jahre 1991 bereits festsetzungsverjährt sei. Es sei auch nicht klar, weshalb eine Veräußerung an die C-GmbH eine Schenkung begründen könne. Bereits am 14. Mai 1991 seien Aktien an Herrn D zu einem vergleichbaren Preis veräußert worden.
Daraufhin teilte der Beklagte mit Schreiben 21. Februar 2001 mit, dass die Abgabe einer Schenkungsteuererklärung im vorliegenden Fall erforderlich sei, weil vermutlich eine gemischte Schenkung vorliege. Denn Leistung und Gegenleistung beim Verkauf der Aktien an die C-GmbH stünden sich nicht gleichwertig gegenüber. Während der Kaufpreis für die 9.299 Aktien 2.324.750 DM betrage – dies entspreche 250 DM je 50 DM-Aktien bzw. 500 % des Nennwerts –, habe der gemeine Wert der Aktien zum Übertragungsstichtag in Anlehnung an weitere Aktienverkäufe lediglich 430 % des...