Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenbare Unrichtigkeit: Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos – Erkennbarkeit des tatsächlichen Mittelzufluss zur Kapitalrücklage
Leitsatz (redaktionell)
Die gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 Abs. 2 KStG ist wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO zu berichtigen, wenn der Anfangs- und Endbestand des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR beziffert wird, anhand der dazu dem Finanzamt eingereichten Unterlagen (Bilanz und Detaillierung zur Bilanz und zur Gewinn- und Verlustrechnung) aber erkennbar ist, dass ein der Erhöhung der Kapitalrücklage entsprechender Betrag tatsächlich zugeflossen ist.
Normenkette
AO §§ 129, 181 Abs. 5; KStG § 27 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; HGB § 272 Abs. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin ist eine GmbH. Gegenstand des Unternehmens ist die Beteiligung an anderen Gesellschaften und die Verwaltung dieser Beteiligungen. Alleinige Gesellschafterin war zu Beginn des Jahres 2007 (Streitjahr) die S. AG. Im April 2007 veräußerte diese ihre gesamten Anteile an die M. KG (nachfolgend: M. KG). Im Januar 2009 reichte die Klägerin ihre Steuererklärung für das Jahr 2007 ein. In der Anlage KSt 1 F (Erklärung zur gesonderten Feststellung u.a. des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG-) und des durch Umwandlung von Rücklagen entstandenen Kapitals (§ 28 Absatz 1 Satz 3 KStG)) gab sie den festzustellenden Betrag des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2007 sowie dessen Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und den Endbestand zum Schluss des Wirtschaftsjahres jeweils mit 0 EUR an. Die eingereichte Bilanz der Klägerin wies eine Kapitalrücklage von…EUR bei einem Bestand zum Ende des Vorjahres von 0 EUR aus. Der Steuererklärung und der Bilanz beigefügt war eine „Detaillierung“ der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung, in der die einzelnen Konten aufgeführt waren. Daraus ergibt sich u.a. auf der Aktivseite der Bilanz eine Beteiligung an der J. KG i.H.v.…EUR (Vorjahreswert 0 EUR) sowie an der N. i.H.v.…EUR (Vorjahreswert…EUR) und eine Darlehensforderung gegenüber der N. i.H.v.…EUR (Vorjahreswert 0 EUR). Auf der Passivseite liegt u.a. eine Erhöhung der Verbindlichkeiten um…EUR vor. Die Gewinn- und Verlustrechnung weist Erträge i.H.v.…EUR (aus Beteiligungen) und von…EUR (Zinsen) aus. Im Anhang der Bilanz heißt es zur Zusammensetzung des Eigenkapitals u.a., dass dieses eine Kapitalrücklage von…EUR beinhalte. Auf den weiteren Inhalt der Bilanz inklusive des Anhangs und der Detaillierung der Konten wird Bezug genommen.
Am 15.4.2009 erließ der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2007 gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG. Das steuerliche Einlagekonto wurde darin mit 0 EUR festgestellt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit Bescheid vom 8.4.2011 aufgehoben.
Mit Schreiben vom 4.2.2021 beantragte die Klägerin die Änderung des Bescheids zum 31.12.2007 nach § 129 AO mit dem Ziel der Berücksichtigung der im Jahr 2007 getätigten Einlage von…EUR bei der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos; dem Antrag war ein Zahlungsnachweis über den Eingang des Betrags von…EUR beigefügt.
Der Beklagte lehnte die beantragte Änderung durch Bescheid vom 4.5.2021 unter Verweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 14.12.2015 7 K 1250/14 (juris) ab. Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 2.3.2022).
Am 4.4.2022 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, die M. KG habe im Jahr 2007 eine Bareinlage von…EUR in die Kapitalrücklage geleistet; diese Einlage sei versehentlich in der Steuererklärung nicht angegeben worden. Es liege aber eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO vor. Aus dem Akteninhalt sei, wie auch vom Beklagten angeführt, nicht ersichtlich, ob der Sachbearbeiter die Angaben in der eingereichten Feststellungserklärung einfach übernommen oder als Ergebnis rechtlicher Würdigung keine Veranlassung gesehen habe, von den erklärten Werten abzuweichen. Durch die mit der Steuererklärung eingereichten Unterlagen seien die Leistung und der tatsächliche Zufluss der Einlage eindeutig und klar ersichtlich gewesen. Es habe auf der Aktivseite der Bilanz einen Zugang bei den Beteiligungen (rund…EUR) und bei den Darlehensforderungen (... EUR) gegeben; diese Mittelverwendung habe zwingend einen Mittelzufluss in identischer Höhe vorausgesetzt, da ohne einen solchen Zufluss die Aktiva nicht hätten erhöht werden können. Dies habe entweder über die Erhöhung von Fremdkapital bzw. Eigenkapital oder über eine Selbstfinanzierung auf Gesellschaftsebene (z.B. Veräußerung von Vermögenswerten) geschehen können. Aus der Bilanz sei ersichtlich, dass sich die Verbindlichkeiten um…EUR und das Eigenkapital um rund…EUR erhöht hätte...