Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine zulässige Änderung von Steuerbescheiden
Leitsatz (redaktionell)
- Die Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass die getroffenen Feststellungen den sicheren Schluss auf eine bisher unbekannte Tatsache – hier: die vermutete fehlende betriebliche Veranlassung geltend gemachter Reisekosten – ermöglichen.
- Diese dem Finanzamt obliegende Feststellung kann auch bei unzureichender Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht aufgrund verminderten Beweismaßes getroffen werden.
- Lassen bei der Betriebsprüfung gewonnene Erkenntnisse es nur zweifelhaft erscheinen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Betriebsausgabenabzugs erfüllt sind, werden dem Finanzamt dadurch keine zur Bescheidänderung berechtigenden Beweismittel i. S. v. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nachträglich bekannt.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 4 Abs. 4
Streitjahr(e)
1999, 2000, 2001, 2002, 2003
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger betreibt einen Im- und Export von Industrieprodukten und vermittelt derartige Geschäfte. Seine Umsätze tätigt er im Wesentlichen mit polnischen Kunden. In den Jahren 2005/2006 fand bei dem Kläger eine Betriebsprüfung statt, die nach einer Prüfungserweiterung die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2003 umfasste. Dabei traf der Prüfer u. a. folgende Feststellungen:
1. Der Kläger hatte in den Streitjahren Telefonkosten i. H. v. 21.745,48 DM (1999), 20.008,01 DM (2000), 21.851,54 DM (2001), 9.907,75 EUR (2002) und 7.997,46 EUR (2003) als Betriebsausgaben abgezogen. Eine private Telefonnutzung hatte der Kläger nicht versteuert. Der Prüfer vertrat die Auffassung, eine ausschließlich betriebliche Telefonnutzung sei nicht glaubhaft; die private Telefonnutzung sei in den Jahren 1999 bis 2001 mit 2.400.- DM und in den Jahren 2002 und 2003 mit 1.800.- EUR anzusetzen (Tz. 2.2. des geänderten BP-Berichtes vom 18.05.2006).
2. Der Kläger hatte in den Streitjahren Reisekosten i. H. v. 29.575,08 DM (1999), 24.473,18 DM (2000), 44.571,85 DM (2001), 12.008,30 EUR (2002) und 6.895,45 EUR (2003) als Betriebsausgaben abgezogen. Nach den Feststellungen des Prüfers befanden sich in den Belegordnern nur Bahn- oder Flugtickets. Reisekostenabrechnungen oder Hotelabrechnungen seien gar nicht bzw. nur sporadisch vorhanden. Die Reisekosten seien deshalb aus formellen Gründen und wegen fehlender Nachweise um jeweils 6.000.- DM (1999 und 2000), 22.000.- DM (2001) und jeweils 6.000.- EUR (2002 und 2003) zu kürzen (Tz. 2.3. des geänderten BP-Berichtes vom 18.05.2006).
3. Im August 2005 – während der Betriebsprüfung – wurde der Kläger am Flughafen Düsseldorf durch Bedienstete des Hauptzollamts Düsseldorf kontrolliert. Dabei fanden die Zollbediensteten auf den Namen des Klägers lautende Kontoauszüge und einen Depotauszug der Schweizer Bank UBS (Kontonummer 1234-456789.M1K, Depotnummer 1234-456789.S1) vor. Danach befanden sich am 11.10.2004 Goldmünzen im Wert von 52.500 CHF in dem Depot. In der Folgezeit legte der Kläger weitere Kontoauszüge für das Konto 1234-456789.M1K ab dem 01.04.2000 vor und erklärte, Auszüge vor diesem Datum habe er nicht und könne er auch nicht mehr bekommen; er wisse auch nicht, wann das Konto eröffnet worden sei. Aus den vorgelegten Kontoauszügen ergaben sich ein Anfangsbestand zum 01.04.2000 von 34.012 CHF und Gutschriften von 5.009,00 CHF in 2000, 48.698,20 CHF in 2003 und 2.017,40 CHF in 2004. Zu dem Depot stellte der Prüfer fest, dass sich die Goldmünzen bereits am 31.12.2000 mit einem damaligen Wert von 44.900.- CHF in dem Depot befanden. Zu den auf dem Konto eingegangenen Geldern und dem Depotbestand trug der Kläger vor, er habe das Konto bei der UBS als Treuhänder für einen Boromir T. aus Belgrad eröffnet. Hierzu legte er ein auf Januar 2006 datiertes Schreiben des Herr T. in englischer Sprache sowie in deutscher Übersetzung vor (Bl. 264 f. der Prüfer-Handakten), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. In einem weiteren Gespräch erklärte der Kläger, weiterer Treugeber des Kontos sei ein Radoslav S. (Bl. 306 der Prüfer-Handakten).
Der Prüfer hielt die behaupteten Treuhandverhältnisse für nicht glaubhaft und rechnete dem Kläger die auf das Konto eingezahlten Provisionen als Betriebseinnahmen zu. Da der Kläger nicht bereit gewesen sei, Kontoauszüge für Zeiträume vor 2000 vorzulegen, seien die jeweiligen Anfangsbestände des Kontos und des Depots als Betriebseinnahmen des Jahres 1999 zu erfassen. Somit erhöhten sich die Erlöse um 97.855.- DM (1999), 6.149.- DM (2000) und 31.220,12 EUR (2003) (Tz. 2.6. des geänderten BP-Berichtes vom 18.05.2006).
Am 13.06.2003 änderte der Beklagte die bisherigen Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2003, die keinen Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO enthielten, entsprechend den Prüfungsfeststellungen und stützte sich dabei auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidun...